Zur deutschen Haltung zur israelischen Annexionspolitik

Netanjahu sagt danke

Seit dem 1. Juli behält sich die israelische Regierung das sich selbst gegebene Recht vor, Teile der besetzten Gebiete im Westjordanland zu annektieren – das Plazet der USA hat sie bereits erhalten. Und wie wird sich die EU dazu verhalten? Im Mai haben die Außenbeauftragten darüber diskutiert und festgestellt, dass es ein komplexes Thema ist und die Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Positionen dazu haben.

Die deutsche Position steht fest. Die Regierungskoalition hat beantragt, eine Annexion als völkerrechtswidrig zu kritisieren. Strafmaßnahmen gegen Israel wird es keine geben – ja noch nicht einmal eine Diskussion darüber. Sanktionsandrohungen hätten keine konstruktive Wirkung auf einen israelisch-palästinensischen Verständigungsprozess.

So verständnisvoll hat die Bundesregierung nicht immer reagiert. Sanktionen sind – wie die EU selbst formuliert – ein wichtiges Instrument ihrer Außen- und Sicherheitspolitik. Russland, Venezuela und vor allem Syrien gehören zu den bekannten Zielen europäischer – und damit auch deutscher – Sanktionen.

2008 sprach Bundeskanzlerin Merkel vor der Knesset von der historischen Verantwortung Deutschlands als Teil der deutschen Staatsräson. Tatsächlich wurde aus der historischen Verantwortung eine Staatsräson, die jede Kritik an der israelischen Besatzungspolitik erschwert. So hat der Bundestag erst vor einem Jahr die BDS-Bewegung gegen den Protest vieler – gerade auch israelischer Wissenschaftler – als antisemitisch gebrandmarkt und damit zugleich festgelegt: Sanktionen gegen Israel finden nicht statt.

Da wird dem Bundestag nur die dringliche Aufforderung an die israelische Regierung bleiben, auf die Annexion zu verzichten, ansonsten seien erhebliche Auswirkungen auf den Friedensprozess des Nahen Ostens zu befürchten. Netanjahu wird für den Hinweis danken.

Wichtiger ist ein anderer Hinweis, der einer Gruppe von 220 ehemaligen Angehörigen des Militärs und der Sicherheitsdienste, die fragen: Wozu Gebiete annektieren, die bereits vollständig unter israelischer Sicherheitskontrolle stehen?

Ob der faktischen Annexion eines Teils der Westbank auch die Annexion de jure folgt, hat eine symbolische Bedeutung. Die Stellungnahme des Bundestages ist angesichts der Realität der Besatzungspolitik ein Windhauch, wie Kohelet sagt. Nichtig und flüchtig.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Netanjahu sagt danke", UZ vom 3. Juli 2020



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Baum.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit