UZ: Was ist am 30. April in Fulda geschehen?
Andreas Goerke: Neonazis haben Jagd auf Jugendliche gemacht, sie angegriffen und geschlagen. Der Hintergrund ist folgender: In Fulda wurde vor 14 Tagen ein Geflüchteter von der Polizei erschossen. Der Geflüchtete soll unter Drogen gestanden und randaliert haben. Angeblich soll er auf einen Polizisten losgegangen sein, der dann Panik bekommen, seine Waffe gezogen und den Geflüchteten erschossen hat. Dieser Vorfall hat eine ziemliche Unruhe in der Stadt ausgelöst und die AfD hat versucht, das für sich auszuschlachten. Sie hat zum 30. April zu einer Kundgebung unter dem Motto „Solidarität mit der Polizei in Osthessen“ aufgerufen. Damit sind sie aber ziemlich auf die Backe gefallen. Es nahmen nur 70 Leute aus ihrem rechten Spektrum an der Kundgebung teil, aber zirka 300 Gegendemonstranten, die aus unserem Umfeld kommen, haben sich druntergemischt und die Veranstaltung zum Fiasko gemacht.
Parallel haben wir als Verein „Fulda stellt sich quer“ keine 500 Meter davon entfernt eine Großkundgebung unter dem Motto „Fulda weltoffen, bunt und tolerant – Für ein friedliches Miteinander“ mit knapp 700 Leuten veranstaltet. Neben Redebeiträgen haben viele Bands bis 22 Uhr auf unserer Kundgebung gespielt. Am Abend wollten dann einige Jugendliche sich noch was zu trinken holen. In einem Supermarkt sind sie dann von vier Neonazis angegriffen und geschlagen worden.
UZ: Wisst ihr, wer die Angreifer waren?
Andreas Goerke: Wir hatten Glück im Unglück. Jemand hatte Fotos von den Teilnehmern der AfD-Kundgebung gemacht und so konnten wir die Schläger identifizieren, obwohl sie nach ihrer Tat abgehauen sind. Es handelt sich dabei um stadtbekannte Neonazis, den Kreisvorsitzenden der NPD, zwei von der „Jungen Alternative“ und einer vom „III. Weg“. Wir haben die Fotos und die Zeugenaussagen und jetzt ist ein Verfahren gegen sie eingeleitet worden.
UZ: Warum kommt es in Fulda so oft zu Naziübergriffen?
Andreas Goerke: Die AfD in Fulda ist fast identisch mit den Identitären und pflegt enge Kontakte zur NPD, zum „III. Weg“ und zu den Republikanern.
Der Verein, bei dem ich aktiv bin, heißt „Fulda stellt sich quer“. Das ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein. Wir haben es im Februar letzten Jahres geschafft, dass eine Veranstaltung mit Bernd Hoecke in Fulda nicht stattgefunden hat. Die AfD musste sie im Vorfeld absagen. Seitdem werde ich zum Beispiel bedroht. Ich hatte schon einen SEK-Einsatz und mehrere Feuerwehr-Einsätze in meinem Haus, etliche Drohbriefe und eine Morddrohung selbst gegen meinen Sohn.
UZ: Wie wehrst du dich dagegen?
Andreas Goerke: Aktuell reiche ich gerade eine Unterlassungsklage gegen den AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann und den AfD-Kreisvorsitzenden Dietmar Vey ein.
Sie haben mich auf ihrer Kundgebung am 30. Mai als Steineschmeißer, linksradikalen Terroristen und Gewalttäter bezeichnet. Das ist jetzt schon die zweite Unterlassungsklage. Beim ersten Mal haben sie mich bezichtigt, ich hätte Kotbeutel auf eine AfD-Veranstaltung geworfen. „Fulda stellt sich quer“ ist ein friedlicher Verein, der antifaschistische Arbeit leistet, und sowas lassen wir nicht auf uns sitzen.
UZ: Jetzt hat die Staatsanwaltschaft gegen einen Funktionär im Landesvorstand der „Jungen Alternative“ und im Kreisvorstand der AfD-Fulda aufgenommen. Wie kam es dazu?
Andreas Goerke: Der Hauptverdächtige soll für die Drohungen und Angriffe gegen mich verantwortlich sein. Die Staatsanwaltschaft hatte schon mal ermittelt, aber dann wieder eingestellt. Er ist anscheinend aus den eigenen Reihen verpfiffen worden. Viel mehr kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht dazu sagen.