Personen, deren persönliche Datensätze sich auf sogenannten Feindeslisten von Neonazis befinden, genießen in der Bundesrepublik noch immer kaum Schutz vor möglichen Angriffen. Auch nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU), dessen Daten sich ebenfalls auf derlei Listen fanden, wollen die Behörden der meisten Bundesländer Betroffene nicht informieren. Alleine auf der sogenannten „Nordkreuz“-Liste finden sich Daten von rund 25000 Personen.
Bereits im Oktober des letzten Jahres hatte sich Sylvia Gabelmann, Bundestagsabgeordnete der Partei „Die Linke“, an das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) gewandt, um in Erfahrung zu bringen, ob sich ihr Name auf den besagten Datenlisten der extremen Rechten befände. Die Antwort der Behörde fiel wenig überraschend aus. So erklärte das LKA, die Anfrage der Abgeordneten nicht sicher beantworten zu können. Zudem seien diverse Daten bereits gelöscht worden. Nach welchen Kriterien die Behörden gefährdete Personen – wenn überhaupt – informieren, ist seitdem auch weiterhin nicht bekannt.
In Mecklenburg-Vorpommern ist das dortige LKA nun dazu übergegangen insgesamt rund 1200 Personen und Institutionen, die sich auf den Feindeslisten der Nazi-Netzwerke befinden, „aufgrund des offenbar mittlerweile entstandenen öffentlichen Informationsbedürfnisses“ zu benachrichtigen. Offensichtlich überwiegt in manchen Amtsstuben mittlerweile die Sorge, dass es zu weiteren Mordanschlägen kommen könnte und die Behörden einmal mehr in die Kritik geraten würden, die von den militanten Faschisten ausgehende Gefahr erneut bagatellisiert zu haben.
Eben das tut aber auch die Landesregierung aus CDU und SPD in Mecklenburg-Vorpommern weiterhin. So antwortete sie jüngst auf eine parlamentarische Anfrage von Peter Ritter (Partei „Die Linke“), dass „die weitgehend einheitliche Einschätzung“ existiere, dass „das (reine) Sammeln von Informationen zu politisch Andersdenkenden im Bereich der politischen Auseinandersetzung, insbesondere im rechts- und linksextremistischen Bereich, nicht unüblich ist“. Dies gehe „in der Regel nicht mit einer unmittelbaren Gefährdungslage einher“. „Deshalb lässt sich, ausschließlich unter Gefährdungsgesichtspunkten betrachtet, die in den Medien kolportierte Existenz einer sogenannten ‚Todesliste‘ und die damit einhergehende beziehungsweise daraus folgende Gefahr des ‚Liquidierens von politischen Gegnern‘ gegenwärtig weder ableiten noch nachweisen“, behauptet die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage.
Unterdessen gerät der AfD-Politiker und Landtagsabgeordnete aus Baden-Württemberg, Heiner Merz, zunehmend in die Kritik, weil er die „Nordkreuz“-Liste im Juli 2017 verbreitet haben soll. Medienberichten zufolge soll er auch andere Personen aufgefordert haben, die Datensammlung zu „speichern, verbreiten und verwenden“. Er selbst will sich daran hingegen nicht erinnern.