Über die Hysterie gegen Amnesty und deutsche Waffen in der Ukraine

NATO-Raketen auf AKW?

Joachim Guilliard

Der Bericht von Amnesty International (AI) über die Taktik der ukrainischen Streitkräfte, die Anwohner umkämpfter Stadtviertel als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen, sorgte im Westen für hysterische Abwehrreaktionen. Er stellt die Menschenrechtsorganisation offenbar auch selbst vor eine Zerreißprobe. Dabei sind die Vorwürfe alles andere als neu, wie selbst der „Faktenfinder“ der ARD einräumen muss. Auch etablierte westliche Medien und das UN-Kommissariat für Menschenrechte hatten über die weitverbreitete Praxis des ukrainischen Militärs berichtet, sich in Wohngebieten, Schulen und Spitälern zu verschanzen, und damit auch die Darstellung von russischer Seite, mit der sie Angriffe auf solche Ziele rechtfertigte, teilweise bestätigt. Mit der Bestätigung solch eklatanter Verstöße gegen das Kriegsrecht durch AI bekämen sie aber besonderes Gewicht.

Obwohl die Organisation sich außenpolitisch überwiegend am Kurs von USA und EU orientiert und ihre Arbeit auf die Vorstellung von der Überlegenheit westlicher Werte stützt, wird ihr nun vorgeworfenen, auf der Seite Russlands zu stehen. Dies ist absurd, hat sie doch – wie ihre Vertreter zur Verteidigung selbst betonen – im Gegenteil ihre bisherige Arbeit ausschließlich gegen Russland gerichtet und zuvor keine Untersuchungen über ukrainische Kriegsverbrechen wie die Morde und Folterungen an russischen Kriegsgefangenen durchgeführt.

An sich könnte der neue Bericht von AI dazu dienen, die Objektivität ihrer gegen Russland gerichteten Vorwürfe zu stärken. Doch der Kern westlicher Kriegspropaganda beruht darauf, dass es in diesem Krieg nicht bloß um Unterstützung für einen Verbündeten geht, sondern um einen historischen Kampf zwischen „dem Guten“ und „dem Bösen“ schlechthin. Anders ließe sich eine Kriegspolitik auch kaum rechtfertigen, die die heimische Bevölkerung und Wirtschaft derart schwer belastet und die Gefahr der Eskalation in einen größeren Krieg birgt. Das Bild einer ukrainischen Armee, die nicht nur heldenhaft ihr Land gegen barbarische Horden verteidigt, sondern gar die „westlichen Werte“, verträgt keinerlei Flecken.

Niemand wagt daher der Frage nachzugehen, mit welchen Waffen in den letzten Tagen das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja beschossen wurde. Da es seit März von russischen Streitkräften kontrolliert wird, kann der Beschuss logischerweise nur von ukrainischer Seite kommen. So kann Bundeskanzler Scholz am Donnerstag ungerührt die Lieferung weiterer Waffen ankündigen, „sehr, sehr viele, sehr weitreichende, sehr effiziente“. Auf die Idee, dass die Raketen und Granaten, die im größten Atomkraftwerk Europas einschlagen, vermutlich von westlichen Raketenwerfern abgefeuert werden, kommt anscheinend in Regierung und Opposition niemand. Auch sonst wird kein Gedanken daran verschwendet, was die NATO-Waffen in den umkämpften Gebieten anrichten. Wenn ukrainische Truppen versuchen, Terrain zurückzuerobern, so feuern deutsche Panzer und Haubitzen nicht nur wieder – 77 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs – auf russische Truppen, sondern treffen unweigerlich auch die dortigen Häuser, Fabriken und Schulen.

Im April hat der Bundeskanzler noch in Bezug auf die Lieferung schwerer Waffen vor der Gefahr der Eskalation in einen Welt- oder gar Atomkrieg gewarnt. Die Gefahr einer Katastrophe in Saporischschja allein sollte schon Grund genug sein, die selbstmörderische Politik, „Russland zu ruinieren“, zu stoppen.

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"NATO-Raketen auf AKW?", UZ vom 19. August 2022



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