Über die Gefahr eines Atomkrieges

NATO-Lust am Untergang

Es war eine bittere Enttäuschung. Die Machthaber in Kiew hatten fest damit gerechnet, an der Seite der US/NATO-Kriegsmaschine erfolgreich gegen Moskau zu Felde ziehen zu können. Selenski selbst hatte die Kriegsziele offen propagiert: Rückeroberung des Donbass und der Krim. Beides wäre, wenn überhaupt, nur mit massivem Einsatz von US-Kampfeinheiten möglich gewesen.
Wladimir Selenski musste nun erkennen, dass seine Wette auf die militärische US/NATO-Unterstützung nicht aufgegangen ist und die vollständige Niederlage seiner Armeen, das Ende seiner Herrschaft wie auch das Ende der Ukraine in der bisherigen Form drohen. Er begann in den Verhandlungen mit der russischen Seite erkennbar zu taktieren. Das wiederum rief die „westlichen“ Hardliner auf den Plan. Ein frühes Ende der Kriegshandlungen ist alles andere als das, was die US/NATO-Sanktionskrieger gebrauchen können. Die Sanktionsmaßnahmen dürften, wenn sich die drastischen Rückwirkungen, das „Frieren gegen Putin“, erst richtig entfaltet haben, nicht an Popularität gewinnen. Ohne den Krieg, allabendlich in den blutigsten Farben ausgemalt, kann es eng werden.

In dieser Konstellation gewann Selenskis Drängen auf eine Flugverbotszone Fürsprecher. Kiew hofft, die US-Truppen doch noch an die Front zu bekommen und so den drohenden Zusammenbruch seiner Armeen abwenden zu können. Diverse westliche Parlamente, darunter der US-Kongress und der Deutsche Bundestag, hatten Selenski den virtuellen roten Teppich ausgerollt, damit er seine Eskalations-Forderungen per Videobotschaft auf möglichst dramatische Weise an die Abgeordneten richten konnte. In der Regel folgten Standing Ovations und viel Verständnis für den Ukrainer.

Die Regierungschefs Polens, Tschechiens und Sloweniens waren eigens nach Kiew gereist, um Selenski den Rücken zu stärken. Die extrem russophoben Polen warben sogar für die Aufstellung einer militärischen „NATO-Friedensmission“. Auch die Vereinigten Kriegsmedien, Teile der westlichen Politik-Elite und der außenpolitischen Think-Tanks nähern sich der Forderung einer militärischen US/EU/NATO-Einmischung deutlich an. Ausgerechnet aus dem Pentagon kamen bislang die realistischeren Töne.

Nun ist die Durchsetzung einer „No-Fly-Zone“ oder einer „Friedensmission“ in der Ukraine keine triviale Veranstaltung. Die Erringung der Luftherrschaft mag in Staaten wie Libyen oder Irak relativ einfach geglückt sein, sie gegen hochkarätige Fliegerkräfte und die weltbesten Luftabwehrsysteme durchsetzen zu wollen ist eine andere Sache. Die US/NATO-Kräfte müssten die russischen Jets und Militärinstallationen auf russischem Territorium angreifen. Bislang kämpft die russische Armee in der Ukraine mit relativ begrenzten Kräften für eine im Kern politische Lösung. Es geht um die Errichtung einer entmilitarisierten, entnazifizierten, neutralen Ukraine. Nicht um eine zerstörte Ukraine. Bei einem offenen Schlagabtausch der mächtigsten konventionellen und nuklearen Mächte der Welt sähe die Lage völlig anders aus. Dann heißt es sehr schnell: „Wer – Wen?“ Dann wird sich niemand eine Niederlage leisten können und wollen. Vor allem der „Westen“ sähe sich nach den Niederlagen in Afghanistan, Irak und Syrien, dem Scheitern in Iran, Belarus, Kasachstan und Venezuela vor die Notwendigkeit gestellt, den nassforschen Sprüchen erfolgreiche Taten folgen zu lassen. Dabei wachsen offensichtlich die Neigungen, auch auf den Atomknopf zu drücken.

Es ist schon bezeichnend für das heutige Mindset der westlichen Eliten, dass die Gefahr des atomaren Supergaus in Kauf genommen wird. Es wird keinen „begrenzten Atomkrieg“ geben. Im Hyperschall-Zeitalter ist es zwingend, seine Raketen zuerst gestartet zu haben. Europa ist ein primäres Ziel. Hier lagern die Atomraketen, die Moskau und Leningrad als erste erreichen können.

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"NATO-Lust am Untergang", UZ vom 25. März 2022



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