Kündigungen aktiver Gewerkschafter und Betriebsräte sind keine unbekannte Praxis von Unternehmern, die etwas unternehmen, um den unternehmerischen Betriebsfrieden – „das gute Betriebsklima“ – sicherzustellen. Raffinesse ist dabei immer im Spiel. Auch aktuell im Fall des Kollegen Gerald Müller, politisch organisiert in der DKP, der im Ergebnis einer Tarifauseinandersetzung seiner Gewerkschaft NGG mit dem Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) ohne Angabe von Gründen entlassen werden soll.
Hat er zuviel bewegt, zuviel „aufgemischt“? Stört er das unternehmerische Denken und Handeln, weil er dem bekannten Satz „Wir sitzen alle in einem Boot“ nicht traut? Sagt ihm die Erfahrung, dass die Verkündigung einer neuen Geschäftsführung, dass man sich als Mannschaft erst finden und formen müsse, im Klartext bedeuten kann: Die alte Mannschaft wird gegen eine neue ausgewechselt? Oder geht es gar um Politik, die nicht ins Hotelgewerbe gehöre, weil sie der Gastgeberrolle widerspräche? Wie also war das mit dem Tarifkonflikt, in dem Kollege Müller, ginge es nach seinem „Brötchengeber“, zerrieben werden soll?
Tarifflucht statt Tarifvertrag – das ist das Ergebnis des Verkaufs des aus DDR-Zeiten bekannten Panorama Hotels in Oberhof. Das größte Hotel am Ort ging Anfang Dezember 2018 an die Ahorn-Hotel-Gruppe aus Berlin mit einem Nettoumsatz von 40,2 Millionen Euro. Das Einstiegsgeschenk für die 70 lohnabhängigen Beschäftigten war die Kündigung des bestehenden Tarifvertrages. Die Ahorn Hotel Oberhof GmbH ist im Gegensatz zum früheren Eigentümer, der H-Hotel AG mit Sitz in Bad Arolsen, nicht tarifgebunden. Dieser Zustand trifft für etwa 81 Prozent der ostdeutschen Betriebe zu, in denen die Gehälter ohnehin deutlich unter denen im Westen liegen. Ohne Tarifbindung ist es eben einfacher, Gehaltserhöhungen zu umgehen, Urlaubsgeld zu kürzen und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern.
Die Gewerkschaft NGG stand sofort an der Seite der Kolleginnen und Kollegen, die um die Anerkennung der Tarifverträge im Thüringer Gastgewerbe und damit die Tarifbindung kämpfen wollten. Zwei Warnstreiks wurden durchgeführt. Die Medien zeigten reges Interesse, auch die UZ berichtete über den Tarifkonflikt. Doch die neue Geschäftsführung wich der Gewerkschaft immer wieder aus, bekundete öffentlich ihr Unverständnis über die Forderungen. Einer Information der NGG zufolge soll sie „unmissverständlich mitgeteilt“ haben, lieber auf „Nasenprämien“ als auf Tarifverträge zu setzen. Sie unterschreibe keine Tarifverträge.
Als Gewerkschafter und Kommunisten kennen wir das Treiben mit unlauteren Mitteln, die angewandt werden, um Belegschaften zu verunsichern, Angst zu verbreiten, zu spalten, um zum Beispiel leichter den Streikbruch zu organisieren. Die Atmosphäre wird vergiftet, um Gewerkschaftsarbeit zu verhindern und Betriebsräte zu bekämpfen.
In Oberhof hat das Unternehmen den Beschäftigten unter großem Gejammer – „dringend notwendigen Investitionen in vielen Bereichen des Hotels, verbunden mit den immer höher werdenden Kosten“ – „als Ausgleich für persönliche Lebenshaltungskosten“ 4 Prozent auf das derzeitige Bruttomonatsgehalt ab dem 1. Februar 2019 angeboten. Nicht ohne hinzuzufügen: „Etwaige Ansprüche auf Tariflohnerhöhungen für das Kalenderjahr 2019 sind mit dieser Erhöhung abgegolten.“ Fakt ist: Die Vier-Prozent-Zusage orientiert sich am neuen Entgelttarifvertrag. Fakt ist aber auch, dass andere Regelungen damit entfallen und die weiteren Erhöhungen zum 1. Januar 2020 und 2021 in den Sternen stehen. Das betrifft auch die Auszubildenden.
Die neue Geschäftsführung macht kein Geheimnis daraus, dass sie die Zahl der Mitarbeiter vor Ort erheblich aufstocken will – auch beim Führungspersonal. Sie spricht von 40 Auszubildenden, die eingestellt werden könnten. Sie behauptet, immer mindestens den Tariflohn zu zahlen, auch die Auszubildenden bekämen übertarifliche Vergütungen und andere Zuschüsse. Warum aber will sie dann keinen Tarifvertrag?
Weil sie keine relative und länger andauernde Verbindlichkeit gebrauchen kann. Vor allem keine Organisiertheit im Betrieb. Organisation ist Waffe, ist Solidarität, hat nichts mit dem „Wir sitzen doch alle in einem Boot“-Gerede zu tun. Nach Informationen der NGG werden bereits neue Beschäftigte zu anderen Bedingungen eingestellt als im Manteltarifvertrag vorgesehen. Und in dieses Bild passt auch die Kündigung unseres Genossen Gerald Müller.
Denkbar ist doch, dass sich die neue Geschäftsführung sukzessive von „unbequemen“ Kolleginnen und Kollegen befreit, auch von „kostenintensiven“. Unser Genosse Gerald Müller, Mitglied der Tarifkommission, hat in dieser Hinsicht keine Illusionen. Er sieht in der Kündigung den Dank für sein Engagement. Ein solcher Umgang mit Kolleginnen und Kollegen geht aber nur solange gut, wie die Belegschaft schweigt. Und sie muss sich überlegen, dass auch für sie gilt: „Wer den Kampf nicht teilt, der wird teilen die Niederlage“ (Bertolt Brecht).
Die DKP Thüringen und der Parteivorstand der DKP fordern die Rücknahme der Kündigung ihres Genossen und solidarisieren sich mit der Belegschaft. „Angst und Einschüchterung sollen die KollegInnen gefügig machen“, heißt es in einem Offenen Brief der DKP Thüringen. Und weiter: „Wir sagen nein zur Gutsherrenmanier des Kapitals. Wir sagen, ja zur Forderung des Betriebsrates Gerald weiter zu beschäftigen“.