Auf den ersten Blick wundert man sich: Der Lobbyverband Berlin-Brandenburgische Wohnungsunternehmen (BBU) schlägt laut einem Bericht des Rundfunks Berlin-Brandenburg Alarm, weil die Mieten bei Neuvermietungen im Jahr 2024 deutlich gestiegen sind? Liest man die BBU-Pressemitteilung von Ende Februar im Original, wird deutlich, dass der Interessenverband öffentlicher, privater und genossenschaftlicher Wohnungsunternehmen die Tatsache beklagt, dass die Bestandsmieten nur moderat gestiegen seien, weil sie sich an der Zeit der Pandemie orientierten: „Unsere Unternehmen haben sich in den letzten Jahren bei Mietanpassungen bewusst zurückgehalten – trotz extremer Kostensteigerungen“, so BBU-Vorstandsmitglied Maren Kern. „Doch die Belastung durch die Kombination aus massiv gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten ist mittlerweile so groß, dass sich das zunehmend in den Mieten widerspiegeln muss.“ Also: Auch die Bestandsmieten müssten teurer werden.
Der Sozialwissenschaftler Andrej Holm hat aufgezeigt, dass die Bestandsmieten bereits unter der Ampel-Regierung in den Jahren 2022 bis 2024 bundesweit um 6 Prozent gestiegen sind. Und das, obwohl SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz im Wahlkampf zuvor noch ein Mietenmoratorium gefordert hatte. Hinzu kommen noch gestiegene Betriebs-, Heiz- und Energiekosten.
Bei Wiedervermietungen betrug der Anstieg 18 Prozent, bei den Neubaumieten 26 Prozent. Die Wohnungseigentümer konnten Mehreinnahmen von fast 17 Milliarden Euro verbuchen. Und es sind nicht nur die börsennotierten Immobilien-AGs, die an der Preisschraube drehen, sondern auch die „Öffentlichen“, die genauso nach Profitlogik funktionieren. Die landeseigenen Berliner Wohnungsunternehmen erhöhten insbesondere im Jahr 2024 die Mieten. Bis Juli 2024 geschah das in 154.631 Haushalten. Mindestens weitere 120.500 sollen in diesem Jahr folgen.
In Zukunft scheinen die Wohnungskapitalisten noch drastischer vorgehen zu wollen. Und ihre Chancen stehen gut: Das Schneller-Bauen-Gesetz in Berlin beispielsweise ermöglicht es dem mit der Immobilienwirtschaft verbandelten CDU/SPD-Senat, anstehende Bauvorhaben in Rekordzeit durchzuwinken. Und den Finanzkapitalisten der Vonovia, LEG und weiteren Heuschrecken steht bald der neue Bundeskanzler Friedrich Merz zu Diensten, ein ehemaliger „Black-Rock“-Manager.
Wohnungspolitischer Protest richtet sich in der Regel nur gegen die schlimmsten Auswirkungen dieser Art von Politik. Ein bundesweiter Mietendeckel wäre zwar sinnvoll, greift aber zu kurz, weil die Frage des notwendigen Wohnungsneubaus gar nicht angegangen wird. Der vom Kapitalmarkt weitgehend abgekoppelte kommunale Neubau wird in die Diskussion über die Mieten meist gar nicht einbezogen und hat allem Anschein nach überhaupt keine Lobby.
Auch wenn die abgewählte Ampel-Regierung ihre bundesweiten Neubauziele weit verfehlt hat – anstatt der versprochenen 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr entstanden in den drei Regierungsjahren nur rund 275.000 pro Jahr –, gibt es derzeit durchaus Wohnungsneubau, auch in der Hauptstadt. Doch hier bauen die Falschen: Bei Durchschnittsmieten von über 12,50 Euro pro Quadratmeter für Neubauwohnungen werfen die Privatkonzerne die Betonmischer an. Öffentlicher oder gar kommunaler Wohnungsbau in größerem Stil wird dagegen mit Verweis auf die Schuldenbremse und die allgemein leeren Kassen verworfen.
100.000 kommunal gebaute Wohnungen würden nach verschiedenen Berechnungen circa 27 Milliarden Euro kosten. Andererseits wurden im Rahmen der „Zeitenwende“ binnen weniger Tage 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr locker gemacht – Schuldenbremse hin oder her. Die Waffenlieferungen für die Ukraine haben den Steuerzahler bislang 28 Milliarden Euro gekostet. Hätte man mit dem Geld keine Waffen gekauft, sondern ein Sondervermögen Wohnen aufgelegt, wären die versprochenen 400.000 Wohnungen locker zusammengekommen. Sie wären zudem dauerhaft in kommunalem Besitz verblieben.
Heute lautet die Frage „Wollt ihr Wohnen oder Kanonen?“, und die bürgerliche Politik ist wieder dabei, sie zugunsten der Kanonen zu beantworten.