Mieter von hohen Energiepreisen besonders betroffen

Nach der Kälte kommt der Schimmel

Die Preise für Erdgas und Heizöl steigen rasant. Mieter sind besonders betroffen: Sie können die Energieeffizienz ihrer Wohnung nicht beeinflussen und sehen sich steigenden Nebenkosten ohnmächtig gegenüber. Was kommt jetzt auf sie zu? Welche Maßnahmen können sie ergreifen? Darüber sprach UZ mit Siw Mammitzsch, Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen e. V.

UZ: Mit welchen akuten Problemen kommen Mieter in eure Beratungsstelle?

Siw Mammitzsch: Meist wegen Betriebskostenabrechnungen und Mängeln an ihren Wohnungen. Aktuell macht die Überprüfung von Abrechnungen etwa die Hälfte der Beratungszeit aus. Im Spätherbst geht es um nicht funktionierende Heizungen und Schimmel. Manche Fälle sind wirklich krass. Aber es geht auch um Mieterhöhungen, Lärmbelästigungen durch Nachbarn oder schon gerichtliche Verfahren wegen Mietrückständen. Es ist alles dabei, was die Wohnung betrifft.

UZ: Treffen die Energiepreissteigerungen der letzten Monate Mieter härter als Eigenheimbesitzer?

Siw Mammitzsch: Ja, weil die Einkommen sich unterscheiden. Wer weniger verdient, hat im Verhältnis zum Einkommen höhere Energiekosten. Absolut verbrauchen Menschen mit niedrigen Einkommen deutlich weniger Energie.

Die Teuerungen kommen bei Mietern verzögert an. Die Betriebs- und Heizkostenabrechnungen, die wir aktuell prüfen, betreffen das Jahr 2020. Da gab es diese enormen Steigerungen noch nicht. Erst Ende diesen Jahres, wenn die Abrechnungen für 2021 bei den Leuten landen, wird es eine deutliche Erhöhung geben. Noch schlimmer wird es dann nächstes Jahr.

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Die Eigenheimbesitzer merken die Preissteigerungen hingegen sofort. Bei ihnen werden die Vorauszahlungen an die Versorger sofort angepasst. Vermieter erhalten diese Briefe auch, gehen aber in der Regel in Vorleistung, bis die Abrechnung erstellt wird. Deswegen zahlen Mieter ja eine monatliche Vorauszahlung auf ihre Betriebs- und Heizkosten. Uns liegen trotzdem schon erste Briefe an Mieter vor, die ihre Vorauszahlungen an den Vermieter anpassen sollen. Dazu sind Mieter gesetzlich aber nicht verpflichtet, wenn die letzte Abrechnung nicht in eine Nachzahlung mündete. Eine höhere Abschlagszahlung ist nur statthaft, wenn sie im Rahmen des nachbezahlten Betrags bleibt.
Das ist aber zwiespältig. Dass die Energiekosten steigen, ist klar. Somit ist auch klar, wie die nächste Abrechnung aussehen wird. Eine jetzt vorgenommene eigenständige Erhöhung der Vorauszahlungen auf die Heizkosten ist durchaus zweckmäßig, wenn man hohe Nachforderungen nicht mit einem Mal begleichen kann. Diese Erhöhung sollte man gegenüber dem Vermieter schriftlich ankündigen.

UZ: Die Bundesregierung hat einen einmaligen erhöhten Heizkostenzuschuss für Wohngeldbezieher in Aussicht gestellt. Reicht der als Hilfe für Betroffene?

Siw Mammitzsch: Nein. Vor allem nicht, weil es ein einmaliger Zuschuss sein soll. Der Zuschuss macht keinen Unterschied darin, womit der jeweilige Haushalt heizt und ob man Bestandskunde oder Neukunde beim Versorger ist. Letztere leiden unter den höchsten Steigerungen. Auch beim Wohngeld müssten die Nachzahlungen aus Abrechnungen eigentlich komplett übernommen werden. Nur dann lässt sich allen Betroffenen gut helfen.

Schon jetzt gibt es Menschen, die die Heizung runterstellen, um Kosten zu sparen. Wenn man vorher eine Sauna in der Wohnung hatte, ist das sinnvoll. Aber nicht, wenn es dadurch kalt wird in der Wohnung.

UZ: Was fordert der Mieterverein Essen e. V. von der Politik, um Betroffenen wirksam zu helfen?

Siw Mammitzsch: Das ist Bundespolitik und obliegt unserem Dachverband Deutscher Mieterbund (DMB). Der hat am 1. Februar Sofortforderungen veröffentlicht. Energiesperren sollen ausgesetzt werden, die Verbraucher beim Strompreis entlastet werden. Die Umlage der CO2-Bepreisung auf die Mieter muss abgeschafft werden. Alles durchaus vernünftige Forderungen. Aber sie enthalten selbst gezogene Grenzen.

Nämlich da, wo man vergisst, zu benennen, dass Energieversorgung genau wie eine gesunde Wohnung zur Daseinsvorsorge gehört, die öffentlich zur Verfügung gestellt werden muss. Zu bezahlbaren Konditionen. Solange man dem „Markt“ den Vorzug gibt, wird es Pleiten von Strom- und Gasanbietern geben. Solange man öffentliche Mittel in private Hände umlenkt und kaum Gegenleistungen dafür verlangt, werden sich die Mieten weiter verteuern.

Ähnlich bei den meisten Klimabeschlüssen: Die Verursacher werden kaum angegangen. Es werden die falschen zur Kasse gebeten. Höchste Zeit, über Strategien der Vergesellschaftung zu diskutieren!

UZ: Worauf müssen Mieter achten, wenn sie ihre Nebenkostenabrechnung bekommen?

Siw Mammitzsch: Auf alles. Sind die Vorauszahlungen korrekt angegeben? Sind die einzelnen Nebenkosten mit den Vorjahren vergleichbar? Gab es irgendwo starke Abweichungen? Das sind die ersten Fragen, die man selbst beantworten kann.

Außerdem besteht Einsichtsrecht in die Belege. Jeder Vermieter bekommt für alle in der Abrechnung aufgeführten Positionen eine Rechnung. Diese Rechnungen darf man sich als Mieter ansehen. Wir versuchen immer, Kopien übersendet zu bekommen. Das ist schneller und weniger aufwändig, als wenn ein Mieter sich die Unterlagen persönlich ansehen geht und jede Rechnung fotografiert. Was aber zulässig wäre.

Manche Vermieter stellen sich quer. Die Überprüfung der Belege empfehlen wir aber in jedem Fall. Statistisch gesehen ist nämlich jede zweite Abrechnung fehlerhaft. Insbesondere große, börsennotierte Wohnungsunternehmen machen Gewinne mit den Betriebskosten, obwohl es eigentlich nur eine Umlage ist.

UZ: Wie können Mieter sich gegen überhöhte Nebenkostenabrechnungen wehren?

Siw Mammitzsch: Widerspruch einlegen, und zwar schriftlich! Der Widerspruch muss begründet sein. Dann ist eine Nachzahlung erst mal nicht fällig, bis eine Klärung erreicht ist. Wer damit Schwierigkeiten hat, kann sich helfen lassen. Zum Beispiel von seinem örtlichen Mieterverein.

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"Nach der Kälte kommt der Schimmel", UZ vom 11. Februar 2022



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