Die Deutsche Post galt ja mal laut Lenin als Beispiel effizienter Organisation, auch wenn dem früheren Sondervermögen des Bundes nicht nur in Liedtexten der Ruf vorauseilte, bei ihr ginge es nicht so schnell. Auf jeden Fall überzog sie das Land mit einem Netz von Poststellen bis ins kleinste Dorf. Damit war sie nicht nur für Bürger und Wirtschaft, die Interessen letzterer genossen natürlich Priorität, ein wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge. Sie war eine Goldgrube für den Staat, führte sie doch selbst in Jahren des Defizits von ihren Bruttoeinnahmen 10 Prozent an den Finanzminister ab, was heute über 5 Mrd. Euro wären. Sie bezahlte ihre Arbeiter, Angestellten und Beamten samt Pensionen ohne einen Pfennig Steuergeld aus ihrem eigenen Haushalt. Vor der Dreiteilung in Bank, Telekom und Post hatte sie 500 000 Beschäftigte, gut die Hälfte bei der gelben Post. Zu 70 Prozent in der Deutschen Postgewerkschaft organisiert, waren die Beschäftigten zwar keine Spitzenverdiener, hatten aber relativ sichere und regulierte Arbeitsplätze. Knapp 2/3 waren Beamte, 90 Prozent davon aber im einfachen und mittleren Dienst, von denen auch nur ganz wenige nach langen Dienstjahren Gehälter erreichten, mit denen Akademiker nach dem Studium anfingen. Der Dreiteilung folgte die Privatisierung und die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Die Kunden spürten das u. a. an der Schließung zahlreicher Poststellen vor allem auf dem Land und dem Verschwinden eines Großteils der Briefkästen. Die Post begann dann national und international mit Zukäufen in der Post- und Logistikbranche.
Wer Delivery sät, wird Streik ernten“, stand auf einem Transparent, als am 27. Mai 5 000 streikende PostlerInnen in Frankfurt am Main anlässlich der Aktionärsversammlung der in 140 Ländern agierenden „Deutsche Post DHL Group“ demonstrierten. 444 000 Beschäftige, davon 160 000 in Deutschland, bescherten den Aktionären eine Dividende von 85 Cent pro Euro, insgesamt 1,030 Milliarden. Aktionär ist der Bund mit rund 21 Prozent Anteil, aber auch die Heuschrecke Black Rock. Damit aus drei Milliarden Gewinn bis 2020 mindestens fünf werden, will Postchef Appel 20 000 Beschäftigte in 49 Niederlassungen einer „DHL Delivery GmbH“ ausgliedern, wo sie 20 bis 30 Prozent weniger verdienen würden. Damit reagierte der gelbe Riese auch auf die Weigerung von ver.di, niedrigere Einstiegslöhne und längere Arbeitszeiten zu akzeptieren. Nach sechs erfolglosen Verhandlungsrunden und zahlreichen Warnstreiks seit April ruft nun ver.di täglich mehr Beschäftigte zu Streiks auf. Die Gewerkschaft fordert 5,5 Prozent mehr Lohn sowie eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich um 2 ½ Stunden pro Woche. Das entspräche etwa dem Volumen der geplanten Ausgliederungen, deren Effekt somit zunichte gemacht würde.
Für die meisten Beschäftigten wurden die Arbeitsbedingungen seit der Privatisierung schlechter. Die Arbeitshetze nahm zu, ob nun die Reviere der Briefträger vergrößert oder große Paketverteilzentren zu „Knochenmühlen“ wurden, in denen Schwerstarbeit als Anhängsel der Maschinen verrichtet wird. Seit Jahren wird kaum mehr fest angestellt, endlose Befristungen sind normal. Eine der 14 000 befristeten PostbotIinnen brachte es in Wittenberg auf 88 Befristungen. Briefträger, die nach offiziellem Feierabend noch von Haus zu Haus eilen, treibt die Angst, keinen neuen Vertrag zu bekommen. Zunehmend wurde Arbeit ausgelagert, erkennbar z. B., wenn aus bejahrten Rostlauben steigende Menschen Briefkästen leeren. „Kooperationspartner der Deutschen Post“ liest man da. Wobei der offiziell selbstständig ist, schlecht verdient und sich selbst sozialversichern muss.
„Wir zahlen die besten Löhne“, so ein Spruchband an einem DHL-Gebäude. Angeblich hätten die Beschäftigten keinen Grund zum Streiken, nur ver.di wolle das. Dabei vergleicht man mit der Billigkonkurrenz großer und kleiner Postanbieter, die bis 2014 zumeist noch unter heutigem Mindestlohn bezahlten. So klagte das Unternehmen PIN, der Springer-Verlag ist Anteilseigner, 2010 erfolgreich gegen den branchenspezifischen Mindestlohn. Angeblich ohne Zutun der Unternehmer entstanden dort gelbe Gewerkschaften wie die der Neuen Brief- und Zustelldienste (GNBZ). Sie organisierte u. a. eine Demonstration gegen den Mindestlohn. Das Landesarbeitsgericht Köln erkannte diesem Verein die Gewerkschaftseigenschaften ab.
Die Arbeitsbedingungen bei Konkurrenten der DHL wie GLS bezeichnete Günter Wallraff als moderne Sklaverei. In der Post- und Logistikbranche wurde es anschaulich, wie die Schaffung von Billiglohnsektoren und Repressionsmechanismen wie Hartz IV Beschäftigte und Gewerkschaften ehemals regulierter, weil gut organisierter Bereiche unter Druck bringt. Da genierte sich das Management dann auch nicht zu behaupten, ver.di fördere mit dem Streik letztlich die unsoziale Konkurrenz.
Wo solche Propaganda nicht griff, wurden Vorgesetzte massiver. Nach Presseberichten wurde befristet Beschäftigten gedroht, dass ihre Verträge nicht verlängert würden, und Teamleitern, sie hätten die längste Zeit in ihrer Funktion gearbeitet, falls sie streiken würden. Während im Osten polnische DHL-Beschäftigte Streikbrecherarbeiten leisteten, waren es anderswo viele der 40 000 Beamten. Deren Einsatz auf bestreikten Arbeitsplätzen ist nach einem Bundesverfassungsgerichtsurteil rechtswidrig. Ein von ver.di angerufenes Kölner Arbeitsgericht sah das anders, solange der Einsatz freiwillig sei. Wie in Betrieben „Freiwilligkeit“ oft zustande kommt, ist kein Geheimnis.
ver.di wirft der Post vor, mit der Ausgliederung Verträge zu verletzen. 2011 hatte ver.di für die Zusage, bis 2016 maximal 10 Prozent der Zustellbezirke auszugliedern, Zugeständnisse bei arbeitsfreien Tagen und bezahlten Kurzpausen im Wert von 160 Millionen Euro gemacht. Nun wollen Appel und Konsorten das wegen angeblicher wirtschaftlicher Notwendigkeiten vom Tisch wischen, natürlich ohne Gegenleistung. Ein letztes Angebot von ver.di, in dieser Tarifrunde auf Lohnerhöhungen zu verzichten, wenn die DHL-Delivery-Beschäftigten unter dem Dach des Haustarifvertrags blieben, ließen die Postmanager unbeantwortet. Angeblich war die Bonner Konzernzentrale nicht in der Lage, es in 48 Stunden zu prüfen. Bitter auch für alle Auszubildenden, denen nur noch in der Billigtochter feste Arbeitsplätze angeboten werden. Wie bei Amazon soll hier nur der Tarifvertrag für Speditionen und Logistik gelten.
Nach sechs Verhandlungsrunden konnte ver.di darauf nur mit dem Aufruf zu Erzwingungsstreiks antworten. Diese werden nun täglich ausgeweitet, zunächst in den Briefzentren, dann in der Zustellung. Anders als z. B. der Streik der ErzieherInnen wird das die Unternehmensseite empfindlich treffen, weil der boomende Internethandel damit teilweise zum Erliegen gebracht werden kann. Bald werden in einschlägigen Medien die Rührgeschichten erscheinen vom Enkel, der das Geburtstagspäckchen der Oma nicht bekommt. Wie sich Niedriglöhne und Befristungen auf die Kinder und Enkel der PostlerInnen auswirken, interessiert jene nicht, für die der Profit das Maß aller Dinge ist. Dass es uns interessiert und wir solidarisch sind, das sollten wir unseren Briefträgern und Paketzustellern in den nächsten Tagen auch mal persönlich sagen.
Die Deutsche Post galt ja mal laut Lenin als Beispiel effizienter Organisation, auch wenn dem früheren Sondervermögen des Bundes nicht nur in Liedtexten der Ruf vorauseilte, bei ihr ginge es nicht so schnell. Auf jeden Fall überzog sie das Land mit einem Netz von Poststellen bis ins kleinste Dorf. Damit war sie nicht nur für Bürger und Wirtschaft, die Interessen letzterer genossen natürlich Priorität, ein wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge. Sie war eine Goldgrube für den Staat, führte sie doch selbst in Jahren des Defizits von ihren Bruttoeinnahmen 10 Prozent an den Finanzminister ab, was heute über 5 Mrd. Euro wären. Sie bezahlte ihre Arbeiter, Angestellten und Beamten samt Pensionen ohne einen Pfennig Steuergeld aus ihrem eigenen Haushalt. Vor der Dreiteilung in Bank, Telekom und Post hatte sie 500 000 Beschäftigte, gut die Hälfte bei der gelben Post. Zu 70 Prozent in der Deutschen Postgewerkschaft organisiert, waren die Beschäftigten zwar keine Spitzenverdiener, hatten aber relativ sichere und regulierte Arbeitsplätze. Knapp 2/3 waren Beamte, 90 Prozent davon aber im einfachen und mittleren Dienst, von denen auch nur ganz wenige nach langen Dienstjahren Gehälter erreichten, mit denen Akademiker nach dem Studium anfingen. Der Dreiteilung folgte die Privatisierung und die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Die Kunden spürten das u. a. an der Schließung zahlreicher Poststellen vor allem auf dem Land und dem Verschwinden eines Großteils der Briefkästen. Die Post begann dann national und international mit Zukäufen in der Post- und Logistikbranche.