Mieten, Lebensmittel, Strom, Gas – alles wird teurer. Gleichzeitig stagnieren die Einkommen. Wie und ob die Preissteigerungen gestemmt werden können, ist nicht Teil der öffentlichen Debatte. Der bürgerliche Staat bietet bisher lediglich kosmetische Korrekturen in Form von Einmalzahlungen.
Die „organisierte autonomie“ und der Stadtteilclub „reclaim Gostenhof“ haben daher im Nürnberger Stadtteil Gostenhof eine Kampagne gestartet. Unter dem Motto „N-Ergie und Co zur Kasse bitten“ wurde thematisiert, dass der lokale Grundversorger und andere Energiekonzerne das Risiko kapitalistischen Wirtschaftens selbst tragen sollen. Die Mehrheit der Bevölkerung kann nicht schon wieder für potentielle Verluste aufkommen, während die Gewinne privatisiert werden.
Die Forderungen: Keine Nachzahlungen – keine Sperren – Energiepreise runter! Damit und mit einer kleinen Befragung zum Thema war die Kampagne rund drei Monate im Stadtteil unterwegs. Ein oft nur privat verhandeltes Thema wurde so Teil einer öffentlichen kollektiven Debatte, in der Alternativen wie Vergesellschaftung diskutiert wurden.
Unterstützerinnen und Unterstützer konnten sich mit auf Pappschildern geschriebenen Forderungen ablichten lassen. Für alle, für die das nicht in Frage kam, bot eine Umfrage die Möglichkeit, sich zu beteiligen. Die Menschen aus dem Stadtteil wurden gefragt, ob ihnen in den vergangenen zwölf Monaten die Energiepreise erhöht wurden, ob sie Angst hätten, aufgrund der steigenden Preise Einschränkungen vornehmen zu müssen, und letztlich, ob sie bereit wären, sich an Protesten gegen steigende Energiepreise zu beteiligen.
Drei Monate lang waren Aktivistinnen und Aktivisten auf den öffentlichen Plätzen, auf Straßen, in Kneipen des Viertels unterwegs und gingen von Haustür zu Haustür. Letztlich kamen über 300 Fotos und noch einmal über 300 Fragebögen zusammen – wobei die Teilnehmenden nicht deckungsgleich waren. 15 Organisationen, Initiativen, Vereine, Kneipen und Cafés unterstützten die Kampagne und trugen so zur Sichtbarmachung bei.
Letztlich übergaben die Aktivistinnen und Aktivisten eine Auswertung der Kampagne an die Stadträtinnen und -räte der „Linken Liste“, deren Anfrage zur kommunalen Energiepolitik in der selben Zeit behandelt werden sollte. Die Kampagne richtete sich aber auch an die politisch Verantwortlichen aus dem Nürnberger Stadtrat, die im Aufsichtsrat des lokalen Energieversorgers N-Ergie sitzen. Vorsitzender des Aufsichtsrates ist traditionell der Oberbürgermeister. Hier verbindet sich sehr sichtbar Lokal- mit Konzernpolitik, was für uns als Stadtbewohnerinnen und -bewohner die Möglichkeit verbessert, hier Druck ausüben zu können.
Da es keine Option ist, auf bürgerliche Parlamente zu vertrauen, ist klar, dass das Ende der Kampagne nicht das Ende des Kampfes für unsere Interessen sein kann. Um das weitere Abwälzen der Krisenkosten auf unseren Rücken zu verhindern, wird es noch viel Organisierung und Vernetzung brauchen. Wir wollen diesem massiven Angriff auf unsere Klasse schließlich etwas Wirkungsvolles entgegensetzen. Packens wir’s an!
Die Umfrageergebnisse
Von Anfang Januar bis Ende März waren Aktivistinnen und Aktivisten im Nürnberger Stadtteil Gostenhof unterwegs. 302 Menschen des Viertels nahmen an der Umfrage teil. Von ihnen gaben 64 Prozent an, dass sie in den vergangenen 12 Monaten eine Energiepreiserhöhung erhalten haben. Eine Mehrheit von 59,3 Prozent gab an, Angst zu haben, dass sie sich die steigenden Energiekosten nur durch Einsparungen in anderen Bereichen wird leisten können. 72,1 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich an Protesten gegen Energiepreiserhöhungen beteiligen würden. Die Bereitschaft, sich an Protesten zu beteiligen, ist bei den Befragten besonders hoch, wenn sie bereits von Energiepreiserhöhungen betroffen sind und Angst haben, sich dadurch einschränken zu müssen. Aber auch bei denen, die nicht davon betroffen sind und keine Angst haben, zeigt sich eine solidarische Grundstimmung.
Weitere Infos und die Fotoprotestaktion sind auf der Instagramseite reclaim.gostenhof oder unter n-ergiepreise-runter.redside.tk dokumentiert.