Georg Fülberth schrieb: „Kapitalismus führt zum Faschismus – Kapitalismus muss weg! So lautete ein Slogan der 1968er-Bewegung in der Bundesrepublik.“ Dieser Slogan wird derzeit wieder mehr verwendet. „Er benennt eine Möglichkeit: Kapitalismus kann zum Faschismus führen, ist aber keine Zwangsläufigkeit. Es gibt auch nichtfaschistischen Kapitalismus: Denken wir an die skandinavischen Staaten, Großbritannien und die USA, die niemals faschistisch waren. Wer meint, gegen Faschismus könne nur gekämpft werden, wenn zugleich DER Kapitalismus beseitigt werde, verurteilt sich gegenwärtig, da der Kapitalismus nahezu weltweit gesiegt hat, zum Nichtstun. Dann wäre aktueller Antifaschismus nur eine Sache z. B. von Bürgerlichen und Christen, die das Nötige gegen Faschismus zu tun versuchen, auch wenn dadurch der Kapitalismus nicht verschwindet. Den Antikapitalisten bliebe da ausschließlich Däumchendrehen.“ Auch der Leitantrag zum DKP-Parteitag sieht den antifaschistischen Kampf vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass der „Maßstab für den Erfolg“ sei, „die Werktätigen durch die Mobilisierung für ihre eigenen Interessen gegen das Kapital“ in den Kampf zu führen. Also nur „Antikapitalismus führe zum Erfolg?“
Marx und Engels kannten noch keinen Imperialismus und Faschismus, kennzeichneten allerdings das Frankreich unter Napoleon Bonapartes III. Herrschaft (1852–1870) als einen Staat, „der nichts anderes als ein mit parlamentarischen Formen verbrämter, mit feudalem Besitz vermischter und zugleich schon von der Bourgeoisie beeinflusster, bürokratisch gezimmerter, polizeilich gehüteter Militärdespotismus“ ist. (Marx, Kritik des Gothaer Programmentwurfs (1875), MEW, Bd. 19, S. 29) Sie schlossen daraus, dass für die Überwindung des Kapitalismus unbedingt Zustände erforderlich sind, die einer demokratischen Republik entsprechen. Der Faschismus bietet unmittelbar keine Möglichkeit der Überwindung des Kapitalismus, ganz im Gegenteil. Das erkannte auch Ernst Thälmann, der in seiner letzten Rede vor der Führung der KPD am Beginn der faschistischen Diktatur betonte, „der Sturz der Hitlerregierung und der Sieg der proletarischen Revolution müssten nicht unbedingt ein und dasselbe sein.“ (Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 5, S. 21)
Der vergessene Parteitag
In dem Bericht vom 15. Parteitag der KPD vom 19./20. April 1946, dem letzten gesamtdeutschen KPD-Parteitag, haben die KPD-Politiker Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht und Anton Ackermann die „ernsten Fehler von uns in diesen Jahren in unserer Arbeiterpolitik“ am Ende der Weimarer Republik herausgestellt. Diese radikale Selbstkritik ist bis heute fast unbekannt, das Protokoll des letzten Parteitages vor den Parteitagen der SED ist kaum zugänglich. Das ist mit ein Grund dafür, dass bis heute bei vielen Linken der Irrtum herumgeistert, es stand 1932/33 der Sturz des Kapitalismus unmittelbar auf der Tagesordnung und die Kapitalisten hätten Hitler als eine Art Notbremse gebraucht, wo sie schon lange vorher mittels Notverordnungen herrschten. Jedoch: Schon lange vorher wäre eine Politik der Arbeiterbewegung notwendig gewesen, die nicht unmittelbar auf antikapitalistische Umwälzung, sondern auf Schaffung und Verteidigung der demokratischen Republik gerichtet wäre.
Auf dem 15. KPD-Parteitag wurde die „eindeutige Selbstkritik“ ausgebreitet, die die Kommunistische Partei auf ihrer Brüsseler Konferenz 1935 erarbeitet hatte: Es sind nicht rechtzeitig aus den Veränderungen in der Lage im Jahre 1932 die politischen Schlussfolgerungen gezogen worden. „Die allgemeine Veränderung in der Lage erforderte die Konzentration und Einigung aller Kräfte auf die Verteidigung der Reste der Demokratie und auf die Vernichtung der faschistischen Kräfte. Gleichzeitig wurde nicht rechtzeitig erkannt, dass sich die Lage in der Sozialdemokratie geändert hatte. Durch die Entfernung der Sozialdemokratie aus den Regierungs- und Verwaltungspositionen war die Sozialdemokratie in eine neue Lage gebracht worden, die es leichter möglich machte, die sozialdemokratischen Organisationen für die Schaffung einer festen Einheitsfront zu gewinnen.“ In den Beschlüssen der Brüsseler Konferenz wurde gesagt, „dass der Kampf um die demokratische Republik das strategische Kampfziel ist, für das alle antihitlerischen Kräfte in breiter Front zusammengeschlossen werden müssten.“ (Aus der Rede Walter Ulbrichts vom 19. April 1946 lt. „Bericht vom 15. Parteitag der Kommunistischen Partei Deutschlands“, Seite 36/37, Verlag Neuer Weg, Berlin. – Die Brüsseler Konferenz fand 1935 bei Moskau statt und gilt als 13. Parteitag der KPD.)
Ebenfalls in „harter Selbstkritik“ wurde festgestellt: „Einen weiteren grundlegenden Fehler begingen wir in der Einschätzung der Sozialdemokratischen Partei, in der wir jahrelang unseren Hauptfeind sahen und gegen den wir das Hauptfeuer unseres Kampfes auch dann noch richteten, als bereits die Faschisten ihre Mordbanden gegen die Arbeiterklasse führten.“ (Aus der Rede Wilhelm Piecks auf dem 15. Parteitag, lt. „Bericht …“ Seite 193)
Die demokratische Republik gering zu achten –
ein kapitaler Fehler
Die Linken sollten heute unbedingt darauf aus sein, alte Fehler nicht zu wiederholen. Solche Fehler wären, nicht die demokratische Republik zu verteidigen, den antikapitalistischen Umsturz zur unmittelbaren Aufgabe zu machen und kein Bündnis auch mit nicht antikapitalistischen Bündnispartnern zu schaffen. Das heißt Antifaschismus auch ohne Beseitigung des Kapitalismus. Es liegt mir daran, dies hier festzustellen, denn ich werde in den Dokumenten sämtlicher Verfassungsschutzämter als der entscheidende Repräsentant des kommunistischen Antifaschismus dargestellt, der auf die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aus sei.