Feldjäger standen für den Bundeswehreinsatz im Inneren bereit

München als Testfall

Von Nina Hager

Die erste Warnung der Münchener Polizei am vergangenen Freitag lautete: „Amokalarm!“ Später ging man vorübergehend von einem Terroranschlag aus. Entsprechend wurde gehandelt. Der Öffentliche Nahverkehr wurde gestoppt. Der Münchner Hauptbahnhof geschlossen. Die Polizei bat die Menschen in vier Sprachen, öffentliche Plätze zu meiden.

Es folgten Stunden voller wilder Gerüchte und Falschmeldungen, die über die sozialen Medien, aber auch über Fernsehsender – wie beispielsweise die ARD –, verbreitet wurden. In dieser Situation twitterte Florian Hahn (MdB, CSU), unter anderem Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestages, man brauche für die nächsten Tage die Bundeswehr „zur Herstellung der Sicherheit im öffentlichen Raum“. Auf Kritik reagierte er, die Polizei melde ja schließlich eine „akute Terrorlage“.

Dann kam in der Nacht zum Sonnabend „Entwarnung“. Die Polizei informierte: Es gibt keinen „IS-Hintergrund“. Es war kein Terroranschlag und es habe sich um einen Einzeltäter gehandelt, einen „klassischen Amoktäter“. Von diesem wurde in den Folgetagen unter anderem bekannt, dass er sich lange und intensiv mit dem Thema „Amok“ beschäftigt hatte und Anders Breivik als Vorbild sah. Es wird derzeit viel – auch von Fachleuten diskutiert – wie oder ob überhaupt eine solche Tat verhindert werden kann, über bessere Prävention und mehr Hilfe.

Hatte der CSU-Bundestagsabgeordnete Hahn am Freitagabend aus eigenem Antrieb gehandelt? Wohl nicht. Hahn und anderen schien es wohl eine gute Gelegenheit für einen „Testballon“ zu sein. CSU und CDU wollen schon lange einen „starken Staat“ – einen autoritären „Sicherheitsstaat“. Dazu gehört die Ausweitung des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren. Also die Bundeswehr nicht nur im „Notstandsfall“ zur Katastrophenhilfe, nicht nur zum Objektschutz bzw. „zur Unterstützung der Polizeikräfte“. Angestrebt wird eine Verfassungsänderung. Sie scheiterte bislang am Widerstand der SPD.

Verteidigungsministerin von der Leyen wurde am Tag nach dem Amoklauf in München noch deutlicher. In der „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ ließ sie sich so zitieren: „Solange das Ausmaß des Anschlages am Freitag nicht klar war, war eine Feldjäger-Einheit der Bundeswehr in München in Bereitschaft versetzt.“ Hinzu kamen Sanitäter sowie Hubschrauber-Besatzungen. Man habe allerdings „noch nie geübt“, dass „die Truppe auch bei terroristischen Großlagen die Polizei unterstützt“. Na, kein Problem: Das neue Weißbuch sieht solche Übungen vor. Eine große Notstandsübung ist geplant. Eine Anforderung der bayerischen Landesregierung nach Artikel 35 GG für den Einsatz der Feldjäger hatte es übrigens nicht gegeben. Die „Süddeutsche Zeitung“ fragte darauf am 24. Juli: „Wollte von der Leyen das Thema nun auf diese Weise noch einmal auf die Agenda setzen und verdeutlichen, dass die Bundeswehr im Ernstfall auch ohne Grundgesetzänderung bereitstünde? Offensichtlich ja.“

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verlangt nicht nur mehr Geld für die Polizei – für mehr Personal und bessere Ausrüstung. Das wird es ohnehin geben. Er forderte zudem in der „Welt am Sonntag“, dass „wir in extremen Situationen“ wie Terroranschlägen „auch in Deutschland auf die Bundeswehr zugreifen können“. Und behauptete: Die historisch begründeten Vorbehalte in der Bundesrepublik seien überholt. „Wir leben nicht in Zeiten der Weimarer Republik. Wir haben eine absolut stabile Demokratie.“ Die Oberhoheit für den Einsatz müsse aber bei der Polizei bleiben. Herrmann hatte das Interview laut Spiegel-Online bereits vor der Amoktat in München gegeben.Thomas Strobl (CDU), Innenminister in Baden-Württemberg, äußerte sich ähnlich.

Widerspruch kam von der SPD, den Grünen, der Partei „Die Linke“ und auch von der GdP, der Gewerkschaft der Polizei. Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Magdeburger Landtag, Stefan Gebhardt, sagte, seine Partei lehne „selbst Planspiele für einen Bundeswehreinsatz im Inneren ohne Wenn und Aber ab“. Die aktuelle Situation dürfe nicht missbraucht werden, „um die zu Recht gesetzten hohen Hürden für einen solchen Einsatz schleifen zu wollen“.

Die, die so vehement die Ausweitung der Bundeswehreinsätze im Inneren fordern, wissen durchaus, dass man damit – und auch mit Auslands­einsätzen – weder Terroranschläge verhindert noch die wachsende Angst vieler Menschen mindern kann.

Aber darum geht es auch nicht.

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"München als Testfall", UZ vom 29. Juli 2016



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