Wie sich der Wahlkampf so dahinschleppt. Keine Aufreger, keine Zuspitzungen einzelner Positionen. Die Angriffe auf den sogenannten „politischen Gegner“ halten sich in Grenzen. Wahlplakate und Wahlspots kommen bieder daher. Die Schwelle für gewünschte Aufmerksamkeit ist so niedrig gesetzt, dass jegliche Aufregung vermieden wird. Aber genau so will es die herrschende Klasse, die Menschen – diesmal als Wählerinnen und Wähler – mögen gefälligst nicht über die für sie wichtigen Fragen Informationen und Vorschläge erhalten und debattieren, sondern mit Allerweltsfloskeln und Nebenschauplätzen abgespeist werden.
Die von ARD und ZDF produzierten „Sommerinterviews“ mit dem Spitzenpersonal sind ein solches Signal, nämlich Beruhigung und das „Weiter so, weil ohne Alternativen“.
Die heutige (und mit ziemlicher Sicherheit auch künftige) Kanzlerin Merkel redet über den Hamburger G20-Gipfel und meint, es sei richtig gewesen, ihn dort und nicht anderswo zu veranstalten, aber es „seien Dinge passiert, die absolut nicht akzeptabel sind“, was immer sie darunter versteht, und natürlich keine Nachfrage der subalternen Redakteure. Auch bleibt sie bei ihren Vorschlägen für Klimaschutz und lobt ihre „Ehe für alle“. Was diese Form des Gesprächs an Antworten produziert, sind die allgemeinsten Begriffe von Politik: Man muss „Gespräche abwarten“, „Hürden abbauen“, „mit den Regionen sprechen“, „Alternativen für Beschäftigung herausarbeiten“, „den Ausstieg ins Auge fassen“.
Der Möchtegern-Herausforderer Schulz plustert sich zwar auf, sondert aber Sätze ab wie: „Der Aufbruch in die Zukunft, den wir beschreiben, ist ja keine Absage an den Erfolg, den wir bisher hatten. Sondern die Garantie dieses Erfolges durch neue Strategien für die Zukunft.“ Die Zeit für mehr Gerechtigkeit, die als Überschrift über dem SPD-Wahlprogramm steht, wird die Partei wohl nicht bekommen, denn immer, wenn es konkret wird, kommen bunte Blasen.
So schlittert Schulz in ein Dilemma. Einerseits müsste er Ärger schüren, damit die Wähler die Amtsinhaberin abwählen. Andererseits haben diese Wähler ohnehin schon Angst um den eigenen sozialen Status – und suchen daher Schutz bei der bewährten und scheinbar verschleißfreien Allzweckwaffe Merkel: die funktioniert doch noch.
CSU-Chef Seehofer gibt sich jovial, seiner Wählerstimmen kann die bayerische Regionalpartei sich sicher sein. „Die Obergrenze kann auch Kontingent heißen, Hauptsache die Zahl 200 000 bleibt stehen.“ So deutlich wird er, wo er den rechten Rand abfischen möchte: „Wir wollen und brauchen den harten, starken Staat.“ Ansonsten ist die bayerische Politik erfolgreich und der Datenaustausch muss noch richtig ausgebaut werden.
Wie weit die meisten Parteien von der Meinung der Bundesbürger abweichen, was denn wichtig sei und welche politischen Aufgaben ganz oben zu stehen hätten, macht eine aktuelle repräsentative Umfrage von Emnid deutlich: Zwanzig Politikfelder wurden angeboten. Zu 75 Prozent werden gleiche Bildungschancen für alle Kinder gefordert und sind damit an erster Stelle. Dann folgt mit 70 Prozent als zweitwichtigstes Ziel, die Altersarmut müsse verhindert werden. Am Ende des Rankings steht mit deutlichem Abstand hinter allen anderen mit gerade mal 9 Prozent die Forderung „Mehr Geld für Verteidigung ausgeben“. Ein deutliches Signal, wofür sich die Parteien stark machen sollten, was als dringend und notwendig angesehen wird, in welche Etats Steuern, Abgaben und Investitionen fließen sollten. Aber das passt den Herrschenden und ihren Vertretern in Parteien und Parlamenten nicht. Und so funktioniert Wahlkampf nicht – und dieser schon gar nicht.