Gebraucht, beklatscht, aber bestimmt nicht weiter so“ ist die Absichtserklärung überschrieben, die Beschäftigte des privatisierten Universitätsklinikums Gießen und Marburg an den Asklepios-Konzern und die Landespolitik am Mittwoch letzter Woche übergeben haben. Ziel der Absichtserklärung ist das Zustandekommen eines Tarifvertrags Entlastung. In der Erklärung heißt es: „Wir, die Beschäftigten des UKGM, sichern mit unserer professionellen Arbeit jeden Tag die Gesundheitsversorgung Mittelhessens und darüber hinaus. Wir sind müde, erschöpft, unterbesetzt, aber wir haben noch lange nicht aufgegeben! Daher fordern wir: Verbindliche Regelungen zur Entlastung für alle Arbeitsbereiche, verbindliche Regelungen zur Sicherstellung und Verbesserung der Ausbildungsqualität, wirksame Konsequenzen, wenn diese nicht eingehalten werden, Kündigungsschutz und Ausgliederungsverbot für alle sowie eine Übernahmegarantie für die Auszubildenden. (…) Wir erwarten von unserem Arbeitgeber und den politisch Verantwortlichen einen Tarifvertrag Entlastung und Beschäftigungsschutz für alle. Es geht um unsere Gesundheit und die der Patientinnen und Patienten.“
Sollte die Kapitalseite binnen hundert Tagen hierzu nicht ernsthafte Gespräche beginnen, drohe dem Konzern ein langer Streik, so ver.di. Um die Forderung zu untermauern, hatte die Gewerkschaft an beiden Standorten zu Kundgebungen aufgerufen, an denen sich insgesamt 700 Kolleginnen und Kollegen beteiligten. Wie prekär die Lage vor allem der Pflegekräfte mittlerweile ist, verdeutlicht nicht nur die Zahl von 4.163 Unterschriften aus den Reihen der Beschäftigten – damit stellen sich mehr als 70 Prozent der Belegschaft hinter die Forderungen. Auch die Erlebnisse aus ihrem Arbeitsalltag, die einige Mitarbeiter schilderten, gingen unter die Haut. So berichtete eine Pflegerin, dass selbst auf der Palliativstation Menschen aufgrund des Personalmangels mitunter stundenlang unnötig warten müssten. Menschen, für die jede Stunde kostbar sei, weil ihnen eben nicht mehr viele bleiben würden. Eine andere Mitarbeiterin schilderte, wie zwei positiv auf das Coronavirus getestete Patienten – mangels Personal – mehrere Stunden lang in der Notaufnahme mit etlichen anderen Patienten gelegen hätten. Viel Beifall erhielt eine weitere Pflegerin, die die Phrase von der Uhr, die auf fünf vor zwölf stehe, nicht mehr hören konnte. „Am UKGM haben wir längst halb eins.“
Trotz dieser dramatischen Schilderungen ist von der Landesregierung keine Hilfe zu erwarten. Die anwesende zuständige Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne) lehnte es ab, die Forderung nach einem Tarifvertrag Entlastung zu unterschreiben mit der Begründung, dass sie diesen ja gar nicht schließen könne. Von Seiten des privaten Betreibers kam in Person des Vorstandsvorsitzenden, Gunther K. Weiß, die unverbindliche Aussage, man sei bereit, über das ehrgeizige Ziel in hundert Tagen miteinander zu sprechen. Bislang sei man nach schnellen und konstruktiven Gesprächen immer zu einem Ergebnis gelangt.
Ob das Ergebnis dann tatsächlich der geforderte Tarifvertrag Entlastung und Beschäftigungsschutz sein wird, darf bezweifelt werden. Die Durchsetzung der Forderungen wird weder von „konstruktiven Gesprächen“ mit der Geschäftsleitung noch von Sympathieerklärungen aus der Politik – im Vorfeld der anstehenden hessischen Landtagswahlen – abhängen. Entscheidend wird sein, ob eine Mehrheit im Betrieb nicht nur die Forderung nach Entlastung unterschreibt, sondern bereit ist, hierfür auch zu kämpfen. Der 77-tägige Erzwingungsstreik in den Kliniken in NRW hat gezeigt, bessere Arbeitsbedingungen werden – auch in der Vorweihnachtszeit – nicht geschenkt.