Projekt für Religionsvielfalt oder Verlängerung der Macht Erdogans?

Moschee-Neubau verdrängt Autonomes Zentrum

Jürgen Köster

Vor zehn Jahren beschloss der Rat der Stadt Wuppertal, im Zentrum von Elberfeld durch einen entsprechenden Bebauungsplan ein „Filetgrundstück“ für den Neubau eines „Islamischen Zentrums“ an die örtliche DITIB-Gemeinde zu verkaufen. Jetzt hat der Stadtrat in seiner Sitzung vom 6. März 2023 die Verwaltung beauftragt, in einem städtebaulichen Vertrag mit der türkisch-islamischen Gemeinde die Modalitäten rechtsverbindlich festzulegen.

Zugleich wurden Entwürfe der Planung veröffentlicht, in denen neben der eigentlichen Moschee unter anderem auch Altenwohnungen und eine Kita vorgesehen sind. Dies scheint auf den ersten Blick eine gute Konzeption zu sein, um möglichst kostengünstig eine Aufwertung des Stadtteils zu erreichen und gleichzeitig soziale Verantwortung abzugeben.

Wer ist die DITIB?

Aber damit wird auch der DITIB eine wichtige Rolle bei der Gestaltung eines ganzen Stadtteils übertragen und dies auch noch mit dem Wunsch nach Vielfalt und Offenheit begründet. Im übrigen wird stets betont, dass man sich seit Jahren durch die gute Zusammenarbeit vor Ort kenne.

Das ist nicht nur blauäugig, sondern auch unverantwortlich. Denn die DITIB ist ein Ableger der türkischen Religionsbehörde Diyanet, untersteht damit direkt dem autoritären Regime Erdogans und wird als solche auch durch den türkischen Staat finanziert. Auch die faschistische Terrororganisation „Graue Wölfe“ tarnt sich hinter der DITIB. In DITIB-Moscheen wird für Krieg gegen Kurdinnen und Kurden gebetet, der Völkermord an den armenischen Bevölkerung geleugnet und Antisemitismus verbreitet. Aber es gibt auch türkische Mitbürger, die aus Angst vor Bespitzelungen die Moscheen meiden.

Autonomes Zentrum soll weichen

Doch es gibt noch eine andere Seite dieser Planung. Auf dem für die Moscheebauten vorgesehenen Gelände an der Gathe steht das Gebäude des „Autonomen Zentrums – AZ“, das in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag feiert und nun durch die Planungen vom Abriss bedroht ist.

Von Beginn an war das AZ ein Ort der Vielfalt, der Selbstorganisation, Kritik und politischer Bildung. Generationen von Wuppertalerinnen und Wuppertalern sind durch das AZ sozialisiert und politisiert worden. Menschen mit geringem Einkommen haben dort die Möglichkeit, am kulturellen Leben teilzunehmen und dieses mitzugestalten. Im Kampf gegen Faschismus und Rassismus, für bedrohte Synagogen und Moscheen standen und stehen diese Leute vom Autonomen Zentrum mit an vorderster Front.

Es gibt zwar die diffuse Bereitschaft von Rat und Verwaltung, nach einer Lösung für das AZ zu suchen. Das aber hat im Laufe der Jahre noch zu keinem Ergebnis geführt. Es ist unbegreiflich und nicht hinnehmbar, dass die Stadt Wuppertal hier offensichtlich ohne Not eine derartig wichtige Institution der Stadt aufgeben will. Denn ein abgespecktes Bauprojekt könnte auch ohne den Abriss des AZ umgesetzt werden. Aber so liegt der Verdacht nahe, dass bestimmte politische Kräfte in Wuppertal das „unbequeme“ AZ auf diese Weise beerdigen wollen.

Erfolgreiches Bürgerbegehren

Ein Bürgerbegehren „Gathe für alle“ konnte trotz aller Behinderungsversuche am 10. Juni erfolgreich abgeschlossen werden. Rund 11.600 Bürgerinnen und Bürger, etwa 1.000 mehr als notwendig, haben sich damit dafür eingesetzt, den Beschluss des Rates in dieser Form aufzuheben. „Wir wollen nicht, dass sich der Einfluss der Elberfelder DITIB-Moschee weiter ausweitet. Daher lehnen wir die Trägerschaft der Wuppertaler DITIB-Moschee für den Neubau der Moschee und des geplanten Gemeindezentrums an der Gathe ab“, hieß es in dem Bürgerbegehren.

Es ist allerdings bezeichnend, dass ein von der Wuppertaler Stadtverwaltung bei einer Fachkanzlei beauftragtes Rechtsgutachten davon ausgeht, dass dieses Bürgerbegehren „unzulässig“ sei. Es ist nicht der erste Versuch, Bürgerbegehren und bürgerliches Engagement in Wuppertal zu diskreditieren und unglaubwürdig zu machen. Dem muss man sich entgegenstellen.

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"Moschee-Neubau verdrängt Autonomes Zentrum", UZ vom 30. Juni 2023



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