Ruanda plündert Kongo mit Hilfe der Miliz M23 aus, Europa schaut weg

Mord und Totschlag für Coltan

Jetzt also auch noch Bukavu. Am vergangenen Wochenende nahm die Miliz M23 die Hauptstadt der Provinz Süd-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo ein. Erst Ende Januar hatte sie Goma erobert, die Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu. Damit waren, neben diversen kleineren Städten und weiten ländlichen Gebieten in beiden Kivu-Provinzen, auch deren zwei größte urbane Zentren unter ihrer Kontrolle. Die kongolesischen Streitkräfte und einige Selbstverteidigungsmilizen hatten es weder in Goma noch in Bukavu vermocht, die Angriffe der M23 abzuwehren, die wie üblich von Truppen der regulären Streitkräfte Ruandas unterstützt wurde. Beobachter sprachen von 4.000 bis 5.000 beteiligten ruandischen Soldaten. Die Zahl der Opfer war dramatisch. Allein in den Kämpfen um Goma seien mindestens 2.900 Menschen zu Tode gekommen, berichteten Anfang Februar die Vereinten Nationen. Zahllose Frauen und Kinder seien vergewaltigt, wohl 400.000 Menschen neu in die Flucht getrieben worden. Die Gesamtzahl der Flüchtlinge in der Region näherte sich dem UNHCR zufolge inzwischen fünf Millionen.

Was ist da los im Osten der DR Kongo? Nun, man kann sich der Lage in den beiden Kivu-Provinzen annähern, wenn man in das Jahr 2021 zurückblickt. Damals nahm die ursprünglich 2012 gegründete M23-Miliz erneut ihre Kämpfe auf. Sie eroberte zunächst ein kleines Gebiet in Nord-Kivu direkt an der Grenze zu Ruanda und weitete ihr Territorium in den folgenden Jahren immer weiter aus. Der wichtigste Grund: Der Ostkongo ist äußerst rohstoffreich, besitzt Gold, Zinn, Wolfram und vieles andere mehr. Besonders bekannt ist er für sein Coltan; das wiederum wird benötigt, um Mobiltelefone herzustellen. Eins der bedeutendsten Vorkommen weltweit befindet sich bei der Ortschaft Rubaya in Nord-Kivu, die die M23 im April 2024 einnahm. Allein dort würden monatlich rund 120 Tonnen Coltan gewonnen, mit deren Export bis zu 800.000 US-Dollar monatlich zu verdienen seien, berichtet eine Expertengruppe der Vereinten Nationen. Kongos Finanzminister schätzte bereits 2023 den Betrag, den Kinshasa durch Rohstoffschmuggel verliert, auf bis zu einer Milliarde US-Dollar pro Jahr.

Dabei schmuggeln die Milizen, die – wie die M23 – in den Kivu-Provinzen die Rohstoffe plündern, diese gewöhnlich über die östlich angrenzenden Staaten Ruanda und Uganda außer Landes. Die M23, von einem Ex-Offizier der ruandischen Streitkräfte geführt, gilt gar als Stellvertretermiliz Ruandas. Dessen Regierung streitet dies hartnäckig ab, erklärt aber zugleich immer wieder – und das schon seit Jahrzehnten –, es sei notwendig, im Ostkongo zu operieren. Die Begründung: Dort seien weiter Hutu-Milizen aktiv, die sich nach dem Hutu-Genozid an den Tutsi von 1994 in Ruanda aus flüchtigen Massenmördern gebildet hätten und bis heute Tutsi bedrohten. Solche Milizen gibt es in der Tat. Ihre Bedeutung wird aber laut Einschätzung von Experten von Ruanda massiv übertrieben, um der Kritik vor allem an der M23 Wind aus den Segeln zu nehmen und die Plünderung der Kivu-Rohstoffe fortzuführen, die nämlich hohe Summen in ruandische Kassen spült. Die „Blutmineralien“ bilden im Ostkongo faktisch den Treibstoff für den Krieg.

Zwar laufen Menschenrechtsorganisationen gegen dieses System seit eh und je Sturm. Schon vor rund 20 Jahren gab es Kampagnen, die unter Mottos wie „Kein Blut im Handy!“ auf die kriegsfinanzierende Rolle des kongolesischen Coltans aufmerksam machten. Versuche, mit Hilfe von Zertifizierungssystemen regulär gefördertes Coltan von irregulär abgebautem zu unterscheiden, wurden mit allerlei Tricks ausgehebelt und sind gescheitert. Der Westen nimmt das hin – denn Ruanda kooperiert mit ihm. Bekannt ist seine Bereitschaft, sich als Lagerland für Asylsuchende anzudienen. Zudem unterstützt Ruanda Militäreinsätze in Afrika, die im Inte­resse der Mächte Europas liegen. Aktuell unterhält es etwa Truppen im Norden von Mosambik, wo Dschihadistenmilizen Erdgasquellen bedrohen, auf die es Konzerne aus Europa abgesehen haben. Ruandische Einheiten gehen gegen die Dschihadisten vor; Europa ignoriert dafür den Krieg im Ostkongo.

Kein Wunder, dass Ruanda in den Kivu-Provinzen treibt, was es will. Ein Waffenstillstand vom Juli 2024 erwies sich als wirkungslos. Eine für Mitte Dezember geplante Vereinbarung scheiterte in letzter Minute. Ruanda schob kurzfristig die Forderung nach, die DR Kongo solle direkt mit M23 verhandeln. Kongos Regierung lehnt das ab, da sie – völlig zutreffend – die Miliz als bloße abhängige Marionette einstuft, die auf Ruandas Kommando hört. Die jüngsten Versuche, von außen Verhandlungen durchzusetzen, führten bislang zu nichts. Dafür waren zuletzt von M23 – und damit aus Ruanda – Überlegungen zu hören, die militärische Offensive weit über die Kivu-Provinzen hinaus bis ins Zentrum, vielleicht gar bis in den Westen der DR Kongo, in die Hauptstadt Kinshasa zu tragen. Ein Ende des Krieges, der seit 1996 andauert, ist also nicht in Sicht. Die Zahl der Todesopfer wurde schon 2010 auf sechs Millionen geschätzt. Inzwischen dürfte es eine zweistellige Millionenzahl sein.

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"Mord und Totschlag für Coltan", UZ vom 21. Februar 2025



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