Mörder freigesprochen

In Belfast sind zwei des Mordes angeklagte frühere britische Soldaten freigesprochen worden – trotz erdrückender Beweise. Bekannt ist, dass sie am 15. April 1972 Joe McCann in Belfast töteten. Der 24-jährige Volunteer der Official IRA war unbewaffnet, als die Soldaten, A, B und C, deren wahre Namen bis heute verheimlicht werden, ihm aus etwa 40 Metern Entfernung in den Rücken schossen. Als er am Boden lag, trafen ihn zehn weitere ihrer Kugeln.

Zweimal hatten die Soldaten ihre Tat zugegeben, vor der Militärpolizei und vor dem Historical Enquiries Team (HET), einer Einheit der Polizei im Norden Irlands, die Verbrechen aus der Zeit des bewaffneten Konflikts untersuchen sollte. Da sie in beiden Fällen weder über ihre Rechte als Verdächtige in einem Mordfall aufgeklärt noch verhaftet worden waren, wurden ihre Geständnisse vom Verfahren ausgeschlossen. A und C verließen den Gerichtssaal als freie Männer. B ist gestorben, ohne jemals belangt worden zu sein.

Als Mitglied der marxistisch-leninistischen Official IRA stand McCann weit oben auf der Liste des britischen Geheimdienstes. Dieser schickte auch Soldaten des in Belfast stationierten Fallschirmspringer-Regiments in die Joy Street, wo sie Joe McCann erschossen. Auf der Liste stand er auch, aber nicht nur wegen seiner militärischen Erfolge. So hielt er 1970 mit nur sechs weiteren Volunteers 600 britische Soldaten eine ganze Nacht lang in Schach, die in der Markets-Area in Belfast die Gesetze zur Internierung ohne Gerichtsverhandlung durchsetzen wollten, und ermöglichte so vielen, die – teils völlig zu Unrecht – wegen „paramilitärische Aktivitäten“ in Verdacht standen, die Flucht aus Belfast.

Joe McCann machte deutlich, dass es sich bei dem Konflikt im Norden Irlands nicht um einen Religionskrieg zwischen Katholiken und Protestanten handelte, sondern um einen Kampf Klasse gegen Klasse. So ließ er als Kommandierender Offizier zum Beispiel drei Paramilitärs der Ulster Volunteer Force unverletzt frei, weil sie „Männer der Arbeiterklasse“ waren, und arbeitete in den Communities dafür, dass als Feind nicht der protestantische Nachbar angesehen wird.

Auch dafür ließ ihn der britische Staat am 15. April 1972 ermorden. Dafür, dass sie sich zum Handlanger der britischen herrschenden Klasse gemacht haben, wurden die Soldaten A und C mit einem Freispruch belohnt.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Mörder freigesprochen", UZ vom 14. Mai 2021



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flagge.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit