Über hohe Energiekosten

Mittelstandsdebakel

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) klagt über die hohen „Energiekosten im industriellen Mittelstand“. Grundlage ist eine vom BDI selbst in Auftrag gegebene Umfrage. Natürlich kennen auch die BDI-Unternehmen das alte Kapitalistenmotto: Lerne zu klagen, ohne zu leiden. In diesem Fall sind die Probleme objektiv gegeben: Die Strom- und Gaspreise sind in Deutschland massiv gestiegen. Leider lässt die neoliberal-bornierte Sichtweise des BDI einen Blick über den betrieblichen Tellerrand und eine objektive Analyse der zugrunde liegenden Strukturprobleme nicht zu. Der BDI fokussiert ausschließlich auf den eigenen Bauchnabel. Die deutsche Industrie war immer steuerlich privilegiert – nicht ausreichend, wie sie jetzt beklagt.

Mittelständische Unternehmen leiden unter der zweifelhaften und schlingernden Corona-Politik der Bundesregierung und kämpfen mit hohen Kosten, zerbrochenen Lieferketten und eingebrochenen Umsätzen. Energiekosten sind für ein Land mit einem hohen industriellen Anteil ein entscheidender Faktor. Aber an diesen Kosten ist die vom Finanzkapital dominierte Bundesregierung nicht unschuldig. Die Privatisierung der Energieindustrie hat die Verbraucher schon vor Jahren den Profitinteressen der Energiemonopole ausgeliefert. Die „Energiewende“ ist als Deal zwischen Staat und Energieproduzenten zur gemeinsamen Schröpfung der Energiekunden konzipiert. Als sei das nicht genug, setzten die neoliberalen Ideologen immer mehr auf den Spotmarkt denn auf langfristige Verträge – und lieferten uns damit immer mehr den Spekulanten aus. Diese reagierten natürlich auf die von der Bundesregierung mit angeheizten internationalen Spannungen und auf den Kampf um Nord Stream 2. Der Chart der Öl- und Gaspreise liest sich wie eine Fieberkurve der internationalen Beziehungen. Sollte der „Westen“ den Krieg um den Donbass ernsthaft lostreten, dürften wir Ölpreise deutlich jenseits der 100 Dollar/Barrel sehen.

Dem deutschen Mittelstand fällt die aggressive, inkohärente und neoliberal grundierte Politik der letzten 25 Jahre brachial auf die Füße. Leider ist nicht zu erkennen, dass seine Interessen-Vertreter das zu begreifen in der Lage sind.

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"Mittelstandsdebakel", UZ vom 25. Februar 2022



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