UZ: In den vergangenen Jahrzehnten habt ihr viele Erfahrungen mit der Sozialistischen Partei (PS) gesammelt. Welche Rolle hat diese Partei in der Vergangenheit gespielt?
Luís Carapinha: Eine negative Rolle. Sie hat in den letzten vierzig Jahren eine rechte Politik betrieben und ausgeführt. Zusammen mit den Rechtsparteien PSD und CDS ist die PS für den Kurs verantwortlich, den unser Land in diesen Jahrzehnten verfolgt hat: einen Kurs, mit dem die Errungenschaften der Nelkenrevolution zerstört wurden, einen Kurs der Unterordnung unter die Interessen des großen Kapitals und das Diktat der EU. Das ist die wesentliche Linie dieser Partei – in den hauptsächlichen Fragen hat es immer eine grundlegende Übereinstimmung zwischen der sozialdemokratischen PS und den Rechtsparteien gegeben.
UZ: Ist es für die PCP möglich, mit der PS zusammenzuarbeiten?
Luís Carapinha: Das hängt von der konkreten Situation ab. Und die jetzige Lage muss man im Zusammenhang mit den Wahlen vom 4. Oktober sehen: Bei diesen Wahlen haben die Rechtsparteien, die Regierungsparteien klar verloren. Diese Parteien haben gerade auch in den letzten vier Jahren eine aggressive Politik durchgesetzt, die gegen die Interessen der Arbeiter und des portugiesischen Volkes gerichtet war. Nun, nach einem langen Kampf, sind sie geschlagen worden. Sie haben ihre Mehrheit im Parlament verloren, und das heißt: Das Kräfteverhältnis hat sich verändert, es gibt neue Rahmenbedingungen, unter denen Verbesserungen möglich sind.
Jetzt gibt es große Erwartungen in der Gesellschaft und unter den Arbeitern, dass Veränderungen stattfinden werden. Und wir gehen davon aus, dass wir alles tun müssen, um diesen legitimen Erwartungen zu entsprechen. Also haben wir eine Übereinkunft mit der PS erreicht, um der PSD/CDS-Regierung ein Ende zu machen. Wir haben uns in einer Reihe von sehr dringenden Fragen geeinigt, damit eine andere Lösung möglich wird, damit eine neue Regierung auf Initiative der PS gebildet werden und ihre Arbeit aufnehmen kann.
UZ: Gleichzeitig sagt ihr als PCP, dass ihr nicht in die Regierung eintreten werdet.
Luís Carapinha: Ja, das steht nicht zur Debatte. Unsere Partei und die PS haben ein Dokument unterschrieben, die „Gemeinsame Erklärung zu einer politischen Lösung“, die PS hat solche Vereinbarungen auch mit den Grünen und dem Linksblock getroffen. Und diese Erklärung macht klar, dass wir nicht in die Regierung eintreten werden – eine solche neue Regierung wäre eine Regierung auf Initiative der PS. Die PCP wird nicht in eine Koalitionsregierung eintreten, und die „Gemeinsame Erklärung“ ist keine Vereinbarung über parlamentarische Unterstützung für eine PS-Regierung.
Worauf wir uns mit der PS geeinigt haben ist folgendes: Wir unterstützen die Bildung einer solchen Regierung auf Grundlage der „Gemeinsamen Erklärung“. Die Erklärung beinhaltet eine Reihe von begrenzten, aber wichtigen sozialen Maßnahmen. Zum Beispiel sollen Kürzungen in der Sozialversicherung rückgängig gemacht werden, und die laufende Privatisierung des öffentlichen Nahverkehrs in Porto und Lissabon soll gestoppt werden.
Wir haben also in der neuen Lage nach den Wahlen einen Dialog mit der PS initiiert. Wir haben versucht, das Gewicht dabei auf die Punkte zu legen in denen wir uns einig sind, nicht auf die, in denen wir unterschiedliche Auffassungen haben. Aber diese Vereinbarung bedeutet nicht, dass wir unsere politische Eigenständigkeit und Initiative aufgeben, nicht im Geringsten – sie stellt zu 100 Prozent sicher, dass die PCP eine politisch und ideologisch unabhängige Kraft ist. In den Gesprächen haben wir gesagt: Wir werden im Parlament jede Maßnahme unterstützen, mit der wir übereinstimmen, jede Maßnahme, die den Interessen der Arbeiter und des Volkes entspricht. Und wir werden weiterhin gegen jede Maßnahme kämpfen, die gegen unser Volk und die Arbeiter gerichtet ist.
UZ: Die Wirtschaftskrise ist noch nicht überwunden, Portugal ist ein Mitglied der EU – mit allen Folgen, die das für die Wirtschaft und die Politik des Landes mit sich bringt. Ist es denn unter diesen Bedingungen überhaupt möglich für eine portugiesische Regierung, Maßnahmen im Interesse der arbeitenden Menschen durchzusetzen?
Luís Carapinha: Wir haben uns auf eine Reihe konkreter Maßnahmen geeinigt. Und wir gehen davon aus, dass nun, unter den veränderten politischen Umständen, die Bedingungen vorhanden sind, um diese Maßnahmen umzusetzen. Dabei ist es überhaupt nicht sicher, dass diese PS-Regierung auch wirklich zustande kommt, das muss der Präsident entscheiden. Und der wehrt sich gegen eine solche Lösung, dabei scheut er auch nicht vor einem Konflikt mit der Verfassung zurück. Seine Haltung untergräbt die Demokratie in Portugal. Aber wir sagen: Die Bedingungen, um die mit der PS vereinbarten Maßnahmen umzusetzen, sind da. Wie es weitergeht, hängt nun stark davon ab, wie sich die Kämpfe der Massen entwickeln.
UZ: Was bedeutet denn die Vereinbarung mit der PS für die Entwicklung des Kampfes an den Arbeitsplätzen und auf der Straße?
Luís Carapinha: Die Niederlage der Rechtsregierung lässt sich nicht trennen von unserer Linie des Massenkampfes, die wir in den letzten Jahren verfolgt haben, von den Massendemonstrationen, den Kämpfen der Gewerkschaften, den Protesten der Bevölkerung. Die Leute wissen, dass wir eine sehr aktive Kraft in den Massenorganisationen und dem Kampf der Massen sind. Es gibt eine dialektische Beziehung zwischen der Ebene der Massenkämpfe und der institutionellen Ebene, sie ergänzen einander.
Besonders deutlich ist das zum Beispiel letzte Woche geworden, als die Regierung die Abstimmung über ihr Programm im Parlament verloren hat und damit gestürzt worden ist: Gleichzeitig mit der Abstimmung gab es vor dem Parlament eine beeindruckende Demonstration der vereinigten und klassenorientierten Gewerkschaftsbewegung, der CGTP-In, des größten Gewerkschaftsverbandes in unserem Land. Also, man sieht, dass es eine politische Radikalisierung in Portugal gibt.
UZ: Aber gleichzeitig sieht sich die PCP scharfen Angriffen gegenüber.
Luís Carapinha: Es gibt eine große antikommunistische Kampagne in den Medien und vonseiten der rechten Kräfte – diese Kräfte haben großen Einfluss im Staatsapparat.
Diese Regierung auf Initiative der PS, die jetzt möglich ist, ist nicht die linke und patriotische Alternative, für die wir kämpfen. Aber wir sehen es so: Jetzt gerade ist das Wichtigste, mit dieser aggressiven und schädlichen Politik zu brechen, die die Rechtsregierung in den vergangenen Jahren gemacht hat.
Jetzt fürchten die rechten Parteien, dass sie ihre Macht verlieren könnten. Deshalb schüren sie eine antikommunistische Hysterie. Der Dialog zwischen der PS und der PCP hat ihnen Angst gemacht – ein Dialog zwischen Kräften, die sich stark voneinander unterscheiden, die sich aber trotzdem in diesem konkreten Rahmen einander annähern können.