ver.di zeigt miese Arbeitsbedingungen in der Paketbranche auf. Aber wer ist dafür verantwortlich?

Mit wem? Gegen wen?

Tim Laumann

Gerade zu Weihnachten sind sie sichtbar: die 135.000 Paketzusteller in Deutschland. Dazu gehören 90.000, die ausschließlich Pakete zustellen, und 45.000, die Verbundzusteller bei der Deutschen Post sind. Um die Arbeitsbedingungen in der Zustellung zu verbessern und wahrscheinlich auch, um in der Debatte um das Postgesetz weitere Forderungen auf den Weg zu bringen, hat ver.di die Kampagne „Fair zugestellt statt ausgeliefert“ auf den Weg gebracht.

Die Expansion der Handelsmonopole hat die Bedeutung von Logistik und Zustellung erhöht. Seit der Privatisierung der Post ist in der Branche ein neues Segment der Arbeiterklasse entstanden. Dieses Segment haben sich die Kapitalisten so eingeteilt, wie es ihnen in den Kram passt: 45.000 dieser Zusteller arbeiten in Unternehmen ohne Betriebsrat und ohne Tarifvertrag. Insgesamt sind es laut Statistischem Bundesamt 15.629 Unternehmen, die im Bereich der „Post-, Kurier- und Expressdienste“ ihr Geschäft machen. 79,8 Prozent von ihnen beschäftigen nur ein bis neun Arbeiter. ver.di beschreibt den durchschnittlichen Zusteller bei diesen Subunternehmen als in der Regel männlich – bei steigendem Frauenanteil –, häufig neu zugewandert mit unsicherem Aufenthaltsstatus und geringen oder gar keinen Deutschkenntnissen. Die Gewerkschaft bezieht sich bei dieser Darstellung auf eine Studie des DGB-Netzwerks „Arbeit und Leben“. Diese führt als Herkunftsländer der Kolleginnen und Kollegen die Türkei, Syrien, Irak, Iran, Afghanistan, weitere verschiedene arabische Länder, Sri Lanka, Ghana, Aserbaidschan, Indien und Mali auf. Mittlerweile seltener seien es Länder wie Rumänien, Bulgarien, Polen, Tschechien und Griechenland. Sie sprechen häufig Arabisch, Persisch, Rumänisch, Bulgarisch, Türkisch oder Französisch und haben keine oder (noch) keine anerkannte Ausbildung. In manchen Fällen helfen Angehörige bei der Auslieferung (Vater, Sohn, Ehemann, Ehefrau oder sogar Kinder), eine Form der familiären Selbstausbeutung, um die Arbeit bewerkstelligen zu können.

Wir sehen also einen besonders zersplitterten, besonders angreifbaren Teil der Arbeiterklasse vor uns. Den nutzen die Subunternehmer, um auf dem Rücken der Beschäftigten ihre Konkurrenz auszutragen. Das nimmt entsprechende Formen an: Beschäftigte von Subunternehmen geben an, bis zu 220 Stopps bei zirka 300 Paketen einlegen zu müssen. Die Arbeitsbelastung ist also extrem hoch, es kann sein, dass sie eine Tonne Gewicht pro Tag bewegen müssen. Die Pakete können bis zu 70 Kilogramm Gewicht haben. Diese müssen dann alleine und ohne Hilfsmittel ausgeliefert werden. Notwendige Arbeitskleidung wie Sicherheitsschuhe wird nicht gestellt, die Zustellung erfolgt zum Teil im privaten Pkw. Gesundheitliche Schäden sind die Folge, wie Rückenschmerzen und Muskelskeletterkrankungen. Dazu kommt, dass es häufig Probleme mit der Entlohnung gibt. Ungerechtfertigte Kündigungen, Schwierigkeiten mit der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Verstöße gegen Arbeitsverträge und Unterbringung in Sammelunterkunft mit Mietzahlung an den Subunternehmer.

Diese bis hinein ins Kriminelle gehende Praxis wird angegangen. ver.di fordert ein Gesetz, das Subunternehmertum verbietet und die entsprechende Stelle des Zolls, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit materiell und personell besser ausstattet. Auch ein Verbot des Subunternehmertums wird angedacht. Der ver.di-Entwurf benennt allerdings nicht, gegen wen er sich eigentlich richtet. Es sind im ganzen sechs Großunternehmen: DPD mit 11.000 Zustellern bei Subunternehmen, Hermes mit 12.000, UPS mit 3.000, GLS mit 6.000, Amazon mit 2.000 und die Deutsche Post/DHL mit 14.530. Diese Monopole haben durch Ausgliederung oder Ausschreibung die Subunternehmer geworben.

Die Forderung nach dem Verbot des Subunternehmertums ist richtig. Aber das Entscheidende fehlt: ver.di ist in keinem einzigen dieser Großunternehmen willens oder in der Lage, das Subunternehmertum betrieblich zu verhindern beziehungsweise entsprechend weitergehende Schutztarifverträge abzuschließen. Häufig wird – von der Kapitalseite verstärkt – argumentiert, man schade sich damit selbst im Wettbewerb. Doch wenn Sozialpartnerschaft den Kampf gegen Ausgliederung an Subunternehmer behindert, dann bleibt nur der Appell an die Politik.

Ein zweites Problem entsteht aus der gedanklichen Trennung von „bösen“ Subunternehmen und „guten“ Monopolen: In den Betrieben hing zum Beispiel ein Plakat, das einen DHL-Boten und einen bei einem Subunternehmer angestellten nebeneinander stellt. Es zeigt die tariflichen Vorteile des DHL-Kollegen und die besondere Unterdrückung des bei einem Subunternehmen beschäftigten. Diese Kampagne benennt nicht die eigenen Monopole als Verursacher, als Urheber dieser Strategie. Sie läuft ins Leere, weil sie darauf verzichtet, kämpferische Solidarität der alten und der neuen Teile der Arbeiterklasse in und gegen die Monopole zu organisieren und nicht auf betriebliche Kämpfe orientiert. Der vermeintlich neutrale Staat soll es richten – also genau der, der mit der Privatisierung dem Privatkapital den Weg ins heutige Profitparadies geöffnet hat.

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"Mit wem? Gegen wen?", UZ vom 15. Dezember 2023



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