Aktion gegen Arbeitsunrecht berät auf Konferenz, wie Betriebsräte, Gewerkschafter und Journalisten sich gegen SLAPP-Klagen wehren können

Mit Ruhe, Witz und Streisand

Immer häufiger versuchen Konzerne, kritische Beschäftigte, Betriebsräte oder Journalisten mittels SLAPP-Klagen mundtot zu machen. Die Abkürzung steht für „strategic lawsuits against public participation“, etwa „strategische Klagen gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit“, und lehnt sich an „slap“ an, das englische Wort für „Ohrfeige“.

Mit welchen Tricks Union-Busting-Kanzleien dabei arbeiten, wie man sich gegen solche Klagen wehrt und welche politischen Maßnahmen dagegen sinnvoll wären – um diese Fragen drehte sich die „4. juristisch-politische Fachkonferenz für Betriebsräte, Gewerkschafter, Arbeitsrechtler & konzernkritische Publizist*innen“ der Aktion gegen Arbeitsunrecht am 9. November in Köln. Knapp 50 Teilnehmer, darunter viele aktive Betriebsräte, Gewerkschafter und Journalisten, diskutierten darüber mit Betroffenen.

Die Journalistin Nora Noll etwa weiß, wie es sich anfühlt, von einer Rechtsanwaltskanzlei zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert zu werden. Ein „totaler Schock“ sei das gewesen. Das Schreiben der Kanzlei Schertz Bergmann habe Selbstzweifel an ihren Fähigkeiten als Journalistin ausgelöst. Noll hatte Ende April im „nd“ über erbärmliche Zustände in einem Ankunftszentrum für Geflüchtete in Berlin-Tegel berichtet. Für ihren Bericht hatte sie mit Beschäftigten des Ankunftszentrums gesprochen, die aus Sorge um ihre Arbeitsplätze anonym bleiben wollten. Sie hatte die DRK Sozialwerk Berlin gGmbH, die Trägerin des Zentrums, mit ihren Erkenntnissen konfrontiert, darauf aber keine Antwort bekommen.

Noll entschied sich, keine Unterlassungserklärung abzugeben. Das DRK Sozialwerk Berlin klagte. In erster Instanz unterlag das Unternehmen teilweise: Acht der zwölf Äußerungen, die Noll und das „nd“ unterlassen sollten, seien nicht zu beanstanden. Das Unternehmen – finanziert aus öffentlichen Mitteln! – ging in Berufung.

Immerhin habe die Klage zu Berichterstattung über das Vorgehen des DRK Sozialwerks in anderen Medien geführt, erzählte Noll. Diesen Streisand-Effekt – er bezeichnet den ungeschickten Versuch, eine unliebsame Information zu unterdrücken, wodurch die erst richtig bekannt wird – griff auch Walter Brinkmann auf. Der Vorsitzende des Aktionsbündnisses Klinikum Lippe hat 17 Jahre lang als Betriebsrat gewirkt. Er engagiert sich heute für bessere Arbeitsbedingungen an dem Klinikum und damit für die bessere Versorgung der Patienten. Brinkmann erzählt, der Geschäftsführer der Klinik habe zeitweise den Verkauf der Lokalzeitung am Klinik-Kiosk untersagt, nachdem das Blatt über die Zustände in der Klinik berichtet hatte. „Seitdem klappt unsere Zusammenarbeit mit der Lokalpresse ziemlich gut“, grinst Brinkmann. Die Klinikleitung geht mit zwei SLAPP-Klagen gegen ihn vor. Sie möchte Brinkmann Äußerungen untersagen, die er in Interviews mit „junge Welt“ und Aktion gegen Arbeitsunrecht getätigt hat.

Der Kölner Rechtsanwalt Eberhard Reinecke vertritt Mandanten, die sich gegen SLAPP-Klagen wehren. In seinem Vortrag erläuterte er die juristischen Kniffe, auf denen SLAPP-Klagen häufig basieren, und gab konkrete Tipps zur Gegenwehr. Bekomme man eine Abmahnung, solle man ruhig bleiben. Häufig würden Reaktionsfristen von 48 oder gar nur 24 Stunden gesetzt, was „regelmäßig nicht angemessen“ sei. Man könne dann eine Frist von einer Woche nutzen und das dem Abmahnenden mitteilen.

Reinecke empfiehlt, die Abmahnung sorgfältig zu lesen und zu überprüfen. Komme man zu dem Ergebnis, berichtete Tatsachen seien zutreffend und trügen entsprechende Meinungsäußerungen, könne es sinnvoll sein, eine kurze Stellungnahme zu verfassen. Sei die Abmahnung berechtigt, müsse man die Berichterstattung ändern – und weiterführen, um zu demonstrieren, dass man sich durch SLAPP-Klagen nicht stoppen lasse. Reinecke hat auch einen Tipp parat für den Fall, dass man den Ausgang eines eventuellen Gerichtsverfahrens nicht sicher prognostizieren kann. In diesem Fall könne man eine Unterlassungserklärung abgeben, die Begleichung der geforderten Kosten aber verweigern, „da eigentlich kein Unterlassungsanspruch besteht“. Dafür rät der Anwalt zu der Formulierung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich“. Das Unternehmen, das die SLAPP-Klage in Auftrag gegeben hat, muss seine Anwaltskosten dann selbst bezahlen – oder sie einklagen. Dann müsse der Unterlassungsanspruch gerichtlich festgestellt werden. Das erhöht das Risiko des Klägers zu scheitern und senkt die Kosten des Beklagten selbst dann, wenn der unterliegt: Weil der Streitwert sinkt. Gewinne der Beklagte ein solches Verfahren, sei er allerdings weiter an seine Unterlassungserklärung gebunden.

Für wohlwollende Heiterkeit sorgten Reineckes Vorschläge zum kreativen Umgang mit Richtigstellungen. Die könne man etwa ergänzen um den Hinweis, selbst die Juristen des Klägers hätten „an den übrigen Teilen des Beitrags nichts Beanstandenswertes gefunden“. Habe man beispielsweise ein Mitglied der Partei „Die Rechte“ fälschlicherweise der AfD zugeordnet, könne man bedauern, den Rechten als „zu harmlos“ eingeschätzt zu haben und versprechen, die frühere Äußerung nicht zu wiederholen.

Falko Blumenthal wird in seinem Arbeitsalltag ständig mit Union-Busting konfrontiert. Blumenthal ist Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall München und dort für Betriebsratsgründungen in Start-ups zuständig. Er kritisiert die „Mentalität der Selbstaufopferung“, die oft in solchen Betrieben herrsche. Mitbestimmung werde belächelt – nicht nur von der Geschäftsführung, sondern auch von Beschäftigten. In einem bayerischen Start-up habe er zu hören bekommen: „Wir gehen in den Weltraum, und ihr kommt uns mit dem Betriebsverfassungsgesetz.“

In seinem Schlusswort riet Elmar Wigand, Pressesprecher der Aktion gegen Arbeitsunrecht, Union-Busting-Aktivitäten von Anfang an klar zu dokumentieren. Darauf spezialisierte Kanzleien schreckten teils nicht einmal davor zurück, Detektive oder Provokateure gegen Menschen einzusetzen, die einen Betriebsrat gründen wollten. Deren Methoden gehörten geoutet, forderte Wigand. Solche Kanzleien betrieben Rechtsmissbrauch und bewegten sich an der Grenze zur organisierten Kriminalität.

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"Mit Ruhe, Witz und Streisand", UZ vom 15. November 2024



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