Das Leben der Widerstandskämpferin Katharina Jacob

Mit Mut, Hoffnung und Solidarität

511301 Katharina Jacob - Mit Mut, Hoffnung und Solidarität - Antifaschismus - Theorie & Geschichte
Katharina Jacob, 1927 in Köln (Foto: Archiv Ilse Jacob)

Die Hamburger Kommunistin und Widerstandskämpferin Katharina Jacob hat in den 1980er Jahren ihre Lebenserinnerungen aufgeschrieben. Mit der Beschreibung ihrer persönlichen Befreiung am 1. Mai 1945 schien sie – selber noch unzufrieden mit dem Text – im August 1989 zu einem vorläufigen Abschluss gekommen zu sein, wenige Tage später starb sie unerwartet.

Ihre Tochter Ilse hat nun die Aufzeichnungen Katharinas aus der „Fa­mi­lienschublade“ geholt, sie vorsichtig überarbeitet und mit einem Nachwort versehen, indem sie Katharinas Leben nach 1945 als Mutter und Großmutter, als Lehrerin, als Kommunistin in KPD und DKP, als Zeitzeugin für die Verbrechen des Faschismus vor unzähligen Schülerinnen und Schülern, als Kämpferin gegen die Berufsverbote beschreibt.

Über die Jahre davor, die Zeit der Verfolgung, des Widerstandes, des unermesslichen Leids und des großen Mutes berichtet uns Katharina mit eigener Stimme. Ruhig und sachlich, bescheiden und unprätentiös.

1907 in eine Kölner Arbeiterfamilie geboren, will Katharina früh Lehrerin werden, doch die Eltern haben kein Geld, sie auf eine höherer Schule zu schicken, der Berufstraum erfüllte sich für sie erst nach dem Faschismus. Während ihrer Ausbildung kommt sie in Kontakt zur Arbeiterbewegung, wird Gewerkschaftsmitglied und lernt ihre erste Liebe kennen: Walter Hochmuth, den Vater ihrer älteren Tochter Ursel. 1926 wird sie Mitglied der Kommunistischen Partei. 1927 folgt sie Walter Hochmuth nach Hamburg, die beiden heiraten. 1928 oder 1929 werden Katharina und Walter auf einer Demonstration des Roten Frontkämpferbundes verhaftet. Es sollte für Katharina die erste von vielen Verhaftungen sein.

Als die KPD beginnt, sich auf die Illegalität vorzubereiten, ist Katharina mit dabei, hier zeigt sich eins der wiederkehrende Motive ihrer Erinnerung: Vorsichtig sein, aber nicht ängstlich.

Es kommt 1933, und spätestens als der Reichstag brennt, lebt Katharinas Mann Walter, Hamburger Bürgerschaftsabgeordneter für die KPD, halb in der Illegalität. Katharina lebt und erlebt Solidarität, warnt Genossen, wo sie kann, wird selbst gewarnt und unterstützt, manchmal auch von so unerwarteter Seite wie der eines sozialdemokratischen Polizisten, der ihre Fotos vor seinem Chef unter einem Bücherstapel verbirgt, damit sie sie später vernichten kann.

„Ohne Solidarität geht es nicht!“ bleibt das Motto in Katharinas Leben. Und ohne wäre es auch nicht gegangen. Oft genug musste Katharina darauf vertrauen, dass sich Nachbarn, Freunde und Genossen um ihre kleine Tochter kümmerten, wenn sie verhaftet wurde, die Unterstützung der im Untergrund lebenden Genossen war ihr eine Herzensangelegenheit.

Als die Ehe mit Walter zerbricht, ist Katharina auf sich allein gestellt, will wieder arbeiten und hat Glück, in einer Firma anfangen zu können, deren Chefs ihr bei einer neuerlichen Gefängnisstrafe den Arbeitsplatz bis zu ihrer Rückkehr freihalten.

1940 lernt sie die große Liebe ihres Lebens kennen: Franz Jacob. „Er hatte sofort meine ganze Zuneigung. Man musste ihm einfach gut sein. Franz war 34 Jahre alt, sieben Jahre war er eingesperrt gewesen. Wir fanden schnell zueinander. Es folgte eine wunderschöne Zeit der Zweisamkeit.“ Ihre politische Arbeit vernachlässigt haben die beiden aber ihrer Liebe wegen nie. Sie sollten nicht lange etwas voneinander haben.

Ende 1942 muss Franz vor der Verhaftung nach Berlin fliehen, da ist Katharina hochschwanger mit Ilse. Einem kleinen Kapitel über die erste Zeit allein mit dem Säugling hat sie die Überschrift „Stark durch Solidarität“ gegeben – ohne sie wäre es nicht gelungen durchzuhalten.

Zwei Mal sollten sich Franz und Katharina noch sehen, sie reist dazu nach Berlin. Beim zweiten Mal ist Franz schwer erkrankt, kann aber wenigstens seine Tochter Ilse im Arm halten. Wenigstens dieses eine Mal.
Am 18. September 1944 wird Franz Jacob im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet. Als Mitorganisator der Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe und der Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe arbeitete er in den Leitungen der beiden größten Widerstandsgruppen in Deutschland.

Von seiner Hinrichtung erfährt Katharina zwei Tage später. Sie ist eben nach langer Untersuchungshaft aus „Mangel an Beweisen“ freigesprochen worden und ihr ist erlaubt worden, um ein letztes Treffen mit Franz zu ersuchen. Ihr wird mitgeteilt, das Urteil sei vollstreckt worden und sie sei keineswegs frei. Man bringt Katharina nach Ravensbrück.

Dort erlebt sie noch einmal die vollen menschenverachtenden Gräuel der Nazis, immer in Sorge um ihre beiden Kinder. Doch das Nazireich bröckelt, der Krieg ist fast zu Ende. Bei den Märschen aus dem Lager setzen sich Katharina und einige Genossinnen ab. Und dann ist er da, der lang ersehnte Moment, für den sie gekämpft und gelitten und ihr persönliches Glück hinten angestellt hatten:

„Am Morgen, es ist der 1. Mai 1945, begrüßen uns russische Offiziere und Soldaten. Einer sagt in bestem Deutsch: „Guten Morgen, liebe Frauen. Ich könnt nach Hause gehen. Ihr seid frei!“ Ich höre ihn noch.
Es ist ein herrlicher Sonnentag, dieser 1. Mai. Auf der Straße zieht die sowjetische Armee vorbei. Auf jedem Panzer stehen vorn zwei baumlange junge Rotarmisten. In ihren Händen lange rote Fahnen, die im starken Wind flattern. Es ist, als seien sie zu unserer Begrüßung angetreten. Wir lachen und weinen, wir winken und grüßen.

Auf einmal breitet sich eine große Stille aus, und dann braust ein Lied auf – in vielen Sprachen gesungen: Völker, hört die Signale!“

Für Franz und viele viele andere kam die Befreiung zu spät. Für Katharina fing ein neues Leben an.

Katharina Jacob
Widerstand war mir nicht in die Wiege gelegt
Herausgegeben von Kinder des
Widerstands Hamburg
Galerie der abseitigen Künste,
21,90 Euro

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"Mit Mut, Hoffnung und Solidarität", UZ vom 18. Dezember 2020



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