Der Sonderparteitag der SPD am letzten Sonntag führte zu heftigem Aufatmen bei den Koalitionsbefürwortern. Knapp, aber immerhin mit Mehrheit setzte sich die Parteiführung durch. Dabei muss man auch bedenken, dass auf Bundesparteitagen der SPD nicht nur die Delegierten aus den Landesverbänden, sondern gleichfalls die Vorstandsmitglieder stimmberechtigt sind. Die Delegierten waren die gleichen, die für den letzten, ordentlichen Parteitag in ihren Gliederungen gewählt wurden, also zum Parteitag im Dezember 2017, der nach der krachenden Wahlschlappe über eine Erneuerung der Partei und „ergebnisoffene“ Gespräche mit der Union mehrheitlich entschied. D. h. alle die Parteimitglieder, die nach der Sondierung nicht einverstanden waren, hatten keine Möglichkeit, durch neue, andere Delegierte nicht nur ihren Unmut kund zu tun. Forderungen großer Landesverbände, wie NRW und Hessen, wurden noch kurzfristig in den Leitantrag aufgenommen, um die Zustimmung zu erreichen.
Und so wurde die SPD-Führung beauftragt, mehrere Punkte in den Koalitionsgesprächen neu zu verhandeln. Dazu gehört die Abschaffung „sachgrundloser Beschäftigungen“, die Überwindung der „Zwei-Klassen-Medizin“ und eine „weitergehende Härtefallregelung“ für den Familiennachzug von Flüchtlingen.
Nicht unwichtig, aber zu Fragen wie der deutschen Beteiligung an Auslandseinsätzen, den zusätzlichen Milliarden für Rüstung, kein Wort. Zur notwendigen Entspannung mit Russland, zur Nato-Strategie der Einkreisung, zum imperialen Verhalten der USA und den daraus schon in den nächsten vier Jahren folgenden Problemen ebenfalls kein Wort. Sprachlos blieb der Parteitag zu CETA und TTIP, genauso fehlte ein Wort des Bedauerns über die Agenda 2010 und dass diese unsoziale Politik grundlegend korrigiert werden müsste.
Die SPD-Führung ist, trotz des deutlichen Dämpfers für Schulz, Nahles und Co., erleichtert. Durchgesetzt haben sich jetzt, wenn auch knapp, jene, die, wie der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, am Sonntag erklärte, „um jeden Preis an der Macht bleiben wollen“. Kanzlerin Merkel begrüßte pflichtgemäß das Votum des Parteitages. Während inzwischen aus Teilen der CDU Kompromissbereitschaft signalisiert wird, lehnen es CSU und andere CDU-Vertreter ab, die Ergebnisse der Sondierungsgespräche in Frage zu stellen. Man wolle nur noch Details verhandeln. Die großen Industrieverbände sind „erleichtert“, hoffen auf eine schnelle Koalitionsverhandlung und wiederholen gebetsmühlenartig ihre Forderungen, es der Trump-Administration nachzutun und die steuerlichen Bedingungen für Unternehmen deutlich zu verbessern. Auch soll mehr Geld – neben der Rüstung – in Digitalisierung und Infrastrukturen fließen, um den „Wirtschaftsstandort Deutschland“ auch zukünftig an der Weltspitze zu halten.
Und in der SPD? Da wird die Auseinandersetzung weitergehen. Und wer weiß, wie die Abstimmung der Basis ausgeht. Die Macht um die Deutungshoheit und den richtigen Einsatz der auch emotionalen Worte wird die Führung sicherlich führen und dabei nicht nur ihren eigenen Parteimitgliedern, sondern der arbeitenden Klasse den Stinkefinger zeigen.