Im Gegensatz zum weltweiten Trend nahmen die Rüstungsexporte der Schweiz in den letzten Jahren minimal ab. Gleichwohl sind die Zahlen im Vergleich zum Ende des Kalten Krieges immer noch überdurchschnittlich hoch, denn seit Beginn des „War on Terror“ der USA herrscht Rüstungshochkonjunktur. Der leichte Rückgang ist eine erfreuliche Entwicklung – zumindest in den Augen von FriedensaktivistInnen. Ganz anderer Meinung ist die Rüstungsindustrie: Vereint wandten sich letzten September 13 Rüstungsfirmen, darunter die RUAG, Mowag und Rheinmetall mit einem Brief an die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats (SiK-S). Sonst Konkurrenten, malten sie in dem Schreiben gemeinsam schwarz: Die in ihren Augen restriktive Schweizer Kriegsmaterialverordnung bringe die ganze Wehrtechnik-Industrie in Gefahr. Zahllose Arbeitsplätze seien gefährdet. Die Rüstungsschmieden fordern gleiche Exportbedingungen wie im umliegenden Ausland.
Kurz nachdem im letzten November der Inhalt des Briefes in den Medien platziert worden war, lud die SiK-S VertreterInnen der Rüstungsindustrie zu einer ersten Anhörung. Mit dabei waren auch Vertretungen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) und des Außenministeriums (EDA). Die „Gruppe für eine Schweiz ohne Armee“ (GSoA) blitzte mit ihrem Ersuchen ab, zur nächsten Anhörung eingeladen zu werden.
Nach der zweiten Anhörung – diesmal mit Vertretungen aus dem Wirtschafts-, Verteidigungs- und Außenministerium – waren sich die drei Ministerien einig und wollen der Rüstungsindustrie entgegenkommen. Das Wirtschaftsministerium will im Gesamtbundesrat eine Änderung der Kriegsmaterialverordnung beantragen, um die Exportregelung zu lockern und den Wünschen der Rüstungsindustrie zu entsprechen. Zum einen wird es um die Verlängerung der Exportbewilligung, zum andern um die flexiblere Handhabung des Exportausschlusskriteriums „Innere Konflikte“ gehen. Konkret bedeutet dies: Waffenlieferungen in Bürgerkriegsländer.
Schockiert, nicht nur weil auch die Ministerien den Profit der Rüstungsfirmen über Menschenleben stellen, sondern auch wegen der undemokratischen Vorgehensweise, zeigten sich zahlreiche NGOs. 27 Organisationen, darunter die GSoA, Alliance Sud, Schweizerische Friedensbewegung und Solidarité sans frontières, drückten in einem Brief an die SiK-S und den Bundesrat ihre Empörung aus. „Was die Forderung der Rüstungsunternehmen treibt, ist eine egoistische, wirtschaftszentrierte Sicht, welche die Auswirkungen ihrer Tätigkeit verkennt und die Arbeitsplätze in der Schweiz höher gewichtet als die Menschenrechte und die globale Sicherheit“, heißt es in dem Schreiben. Vereint bitten die Organisationen die zuständigen Gremien, von einer Verordnungsänderung abzusehen. Dass der Wille von doppelt so vielen NGOs höher gewichtet werden würde als die Anliegen der 13 Kriegsmaterialproduzenten ist auch in der Schweiz eine Illusion.
Nachdem der Bundesrat noch 2008 Rüstungsexporte in Länder, die in interne oder internationale bewaffnete Konflikte verwickelt sind, untersagt hatte, wurde dieses Ausschlusskriterium bereits 2014 wieder verwässert. Obwohl die Schweizer Kriegsmaterialverordnung auf dem Papier restriktiver erscheint als die Exportverordnungen anderer europäischer Länder, muss hier bemerkt werden, dass die Schweiz als einziges Land zwischen Kriegsmaterial und sogenannten besonderen militärischen Gütern unterscheidet. Die Exporte dieser Güter werden nicht über die Kriegsmaterialverordnung geregelt und sind bei den Kriegsmaterial-Exportzahlen gar nicht erst aufgeführt. Darunter fallen insbesondere die militärischen Trainingsflugzeuge „Porter“ von Pilatus, die in der Vergangenheit immer mal wieder bewaffnet und beispielsweise in Burma, dem Irak, Mexiko oder dem Tschad gegen ZivilistInnen eingesetzt wurden. Auch der Großteil der Piloten, die momentan Luftangriffe im Jemen fliegen, hat sein Kriegshandwerk auf Schweizer Pilatus-Flugzeugen gelernt.