Unter den vielen neuen Begriffen, die seit Beginn der Pandemie in unseren Wortschatz Einzug gehalten haben – von AstraZeneca bis ZeroCoVid – reiht sich seit wenigen Wochen ein neuer ein: jetzt kommen die Booster-Impfungen. Klingt medizinisch, professionell und aktiv und passt damit gut in eine Zeit, in der der Endspurt zur Bundestagswahl eingeleitet wird. Unverdrossen werben die Parteien in Regierung und Opposition trotz offensichtlichen Versagens in der Pandemiebekämpfung wie auch beim Katastrophenschutz und im Umgang mit den Opfern der Flutkatastrophe für ein „Weiter so – am besten mit uns“.
Bundesgesundheitsminister Spahn platzierte die Dritt-Impfung für Menschen mit höherem Erkrankungsrisiko initial in mehreren CDU-Wahlkampfveranstaltungen. Karl Lauterbach lässt für die SPD schnell verlauten, dass er sie für mehr Menschen als nur für diese Hochrisikogruppen erwartet hätte – man muss sich ja abgrenzen, damit die SPD wieder (mit-)regieren kann.
Die Verständigung der Gesundheitsminister am 2. August machte in Deutschland den Weg frei für die dritte Impfung ab September für Ältere, Pflegebedürftige und Menschen mit Immunschwäche. Im Wahlkampfgetöse ignoriert werden dabei gleichermaßen der aktuelle Wissensstand der Forschung, die Ständige Impfkommission (STIKO) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die STIKO verweist darauf, dass nach den aktuellen Erkenntnissen Impfstoffe wie die von Biontech/Pfizer trotz nachlassender Wirkung weiter hochwirksam sind. Insofern gibt sie keine Empfehlung für die Auffrischungsimpfungen, was die kapitaltragenden Parteien aber nicht allzu sehr stört. Die WHO macht auf die ungerechte und medizinisch gesehen fahrlässige Impfstoffverteilung aufmerksam: Von den mehr als vier Milliarden verabreichten Impfstoffdosen seien mehr als 80 Prozent an Länder mit hohem und mittlerem Einkommen gegangen, obwohl dort weniger als die Hälfte der Weltbevölkerung lebe. WHO-Chef Tedros nannte es nicht hinnehmbar, dass die Länder, die bereits den größten Teil der weltweiten Impfstoffvorräte verbraucht haben, noch mehr davon verwenden. Aber auch das kümmert gerade die deutschen Wahlkämpfer nicht, gilt es doch, die Profite der Pharmakonzerne auch über die nächsten Wahlen hinaus sicherzustellen. Das geht nun mal einfacher mit einer Drittimpfung in reichen Ländern als mit Solidarität. Statt nationaler Wahlkampfmanöver bräuchte es die von der DKP geforderte internationale Impfstrategie auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse.