Joaquin Bernal informierte den Parteivorstand der DKP über die neue Verfassung Kubas

Mit allen, zum Wohl aller

Von Manfred Idler

60 Jahre nach dem Sieg der Revolution schenkt sich das sozialistische Kuba eine neue Verfassung. Warum Notwendigkeit und die Voraussetzungen für diesen Schritt herangereift sind, erläuterte ein kompetenter Gast am vergangenen Sonntag den Mitgliedern des Parteivorstandes der DKP: Joaquín Bernal Rodríguez, Stellvertretender Vorsitzender der Verfassungskommission, Abgeordneter der kubanischen Nationalversammlung und Mitarbeiter beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Kubas. Ihm stand Ivet López, Erste Sekretärin der Botschaft Kubas in Berlin, zur Seite.

Es handele sich bei der Schöpfung der neuen Konstitution um eine Weiterentwicklung der Verfassung von 1976, die ein Ausdruck der Weiterentwicklung des demokratischen Charakters von Kubas politischem System sei, erläuterte Genosse Bernal. Dieser demokratische Charakter drückt sich in der breiten Beteiligung der Bevölkerung an dem jetzt von der Nationalversammlung gebilligten Text aus: 8,5 Millionen Kubanerinnen und Kubaner – bei einer Gesamtbevölkerung von 11,2 Millionen – nahmen in Versammlungen an der Qualifizierung des Entwurfs teil, viele tausend Vorschläge, auch von Kubanerinnen und Kubanern, die im Ausland leben, wurden in den Entwurf eingearbeitet, so dass 60 Prozent der Artikel im Laufe der Diskussion eine Veränderung erfuhren.

Die neue Verfassung definiert Kuba als einen unabhängigen und souveränen Rechtsstaat, der auf der Grundlage von sozialer Gleichheit „mit allen und zum Wohle aller“, so im Wortlaut des Artikels 1, das Wohlergehen und die freie persönliche Entwicklung seiner Bürgerinnen und Bürger zum Ziel hat. Die Bürgerrechte sind gestärkt, Diskriminierung, gleichgültig ob wegen ethnischer Herkunft, des Geschlechts, von körperlichen oder geistigen Einschränkungen oder des Lebensalters, sind verboten. Als Staatsziele gelten der Aufbau einer Informations- und Wissensgesellschaft und nachhaltige Entwicklung.

Kern der Wirtschaft bleibt der sozialistische Staatsbetrieb. Daneben sanktioniert die Verfassung andere Eigentumsformen, etwa genossenschaftliche und auch private,vor allem im Dienstleistungssektor. Die Regulierung erfolgt durch den Staat. Grund und Boden kann nur vererbt werden, etwa von Kleinbauern, jedoch nicht erworben werden. Um gerechte Verteilung zu gewährleisten, wird Besitz reguliert, nicht Wohlstand. Grundsatz ist die Wahrung des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln.

Die Familie ist durch die Verfassung geschützt, und zwar generationenübergreifend und in jeder Form. Auch die Ehe auf der Basis der Freiwilligkeit, als stabile Verbindung mit Perspektive auf Lebenszeit, genießt den Schutz des Staates. Sie ist allerdings gesellschaftlich und juristisch noch nicht ausreichend diskutiert und definiert. Ein weiterer gesamtgesellschaftlicher Diskussionsprozess soll in den kommenden beiden Jahren Klarheit bringen, besonders in der Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe.

Die Kommunen erhalten einen höheren Grad von Autonomie, um lokale Probleme effizienter lösen zu können; unter anderem durch die Möglichkeit, lokale Referenden durchzuführen. Die Prinzipien der Außenpolitik sind vor allem die Förderung des Multilateralismus, die strikte Ablehnung des Terrorismus, also auch des von Staaten ausgeübten Terrors, der Schutz der Umwelt und die Bekämpfung der zerstörerischen Auswirkungen des Klimawandels.

Im vergangenen Herbst meldeten verschiedene deutsche Medien, unter anderem „Die Zeit“, mit kaum verhohlenem Triumph, der Begriff „Kommunismus“ tauche in der Verfassung nicht mehr auf. In der Diskussion wurde die Frage aufgegriffen. Im ursprünglichen Entwurf sei tatsächlich nur der Sozialismus erwähnt worden, erklärte Joaquín Bernal, doch viele hätten dafür gestritten, dass er in die Verfassung gehöre, um Missdeutungen vorzubeugen. Auch er selbst, wie er betonte. Gemeint sei nämlich Kommunismus als „die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt“ wie auch als Vision einer künftigen Gesellschaft. Die endgültige Entscheidung über die neue Verfassung wird das kubanische Volk am 24. Februar in einem Referendum treffen.

In einem kurzen Schlusswort rief Genosse Bernal dazu auf, um die Freilassung des widerrechtlich eingekerkerten ehemaligen brasilianischen Präsidenten Lula da Silva zu ringen und den bedrängten Regierungen Venezuelas und Nicaraguas Solidarität zu erweisen.

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"Mit allen, zum Wohl aller", UZ vom 1. Februar 2019



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