Noch ist für die CDU-Führung wie für die der Jungen Union eine Zusammenarbeit mit der AfD – Sachdebatten in Parlamentsausschüssen ausgenommen – völlig ausgeschlossen. Im Bundestag riskiert man dafür sogar ab und zu auch Beifall aus der Linksfraktion, mit der man schon gar nicht zusammenarbeiten möchte. Man grenzt sich also weiter von der Rechtsaußenpartei ab, obgleich die Positionen mancher in den eigenen Reihen sich in einigen Fragen von denen der AfD gar nicht so sehr unterscheiden dürften. Vor allem in Sachsen können sich nicht nur CDU-Lokalpolitiker schon lange auch Gespräche oder gar eine Zusammenarbeit mit der Rechtsaußenpartei vorstellen. So zum Beispiel Octavian Ursu, der Kandidat für die Bürgermeisterwahlen in Görlitz 2019. In Meißen bekam die CDU zur Bürgermeisterwahl von der AfD Unterstützung. Gewisse Sympathien für die AfD hegt seit Längerem offensichtlich auch der Vize-Chef der Bundestagsfraktion der Union, Arnold Vaatz (Sachsen), ein früherer „DDR-Bürgerrechtler“. Auch aus Brandenburg war jüngst zu hören, man müsse im Hinblick auf die nächsten Landtagswahlen „mit allen“ reden.
Nun erklärte Ende September der neue Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen, Christian Hartmann, sogar, er schließe eine Koalition mit der AfD nach der Landtagswahl im kommenden Jahr nicht aus. Auf seine Äußerung folgte scharfe Kritik und eine deutliche Zurückweisung aus Führungskreisen der Partei, später auch durch den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer und durch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Offensichtlich fürchtet man in den Führungskreisen der Unionsparteien kurz vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen, durch solche Aussagen aus den eigenen Reihen jetzt noch mehr Wählerinnen und Wähler zu irritieren.
Als einer der Ersten antworte in der vorigen Woche Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) ausführlicher auf den Vorstoß Hartmanns. Ein geschickter Schachzug, hatte doch die sachsen-anhaltinische Landesregierung auf Nazi-Aktionen in Köthen nach dem tragischen Tod eines 22-Jährigen ganz anders reagiert als die sächsische auf die Geschehnisse in Chemnitz und nichts zu beschönigen versucht. Auch bei Umfragen steht die CDU in Sachsen-Anhalt weitaus besser da als die sächsischen Nachbarn. In Ländern wie Sachsen-Anhalt sehe man schon lange, so Haselhoff, dass sich die AfD „nicht hinreichend vom Rechtsextremismus distanziert und verfassungsrechtlich bedenklich“ sei, erklärte er gegenüber der „FAZ“. Es gebe an „etlichen Stellen Personenidentitäten, politische Identitäten und gedankliche Identitäten mit Rechtsextremisten und Verfassungsfeinden“, so Haseloff. „Deshalb ist die AfD keine Partei, die dem an der Menschenwürde orientierten Geist des deutschen Grundgesetzes und den aus der deutschen Geschichte gezogenen Konsequenzen entspricht.“
Später legte auch Mike Mohring, CDU-Landevorsitzender in Thüringen, nach. Er schloss aus, sich nach der Landtagswahl im Herbst 2019 mit Stimmen der AfD zum neuen Ministerpräsidenten wählen zu lassen. Warum? Nur, weil man es, wie er betonte, in Thüringen mit Björn Höcke und seinem „Flügel“ mit einem besonders extremen Teil der AfD zu tun habe? „Da verbietet sich jede Zusammenarbeit“, erklärte Mohring gegenüber der „Welt“.
Hartmann ruderte nun zurück. Ein taktisches Manöver. „Entwarnung“ ist unangebracht. Am Montag erklärte Hartmann gegenüber der „Leipziger Volkszeitung“ eilfertig: „Ich habe weder ein Interesse noch das Ziel, mit der AfD zusammenzuarbeiten.“ Und weiter: „Wenn ich sage, dass die AfD zur Landtagswahl unser Hauptgegner sein wird, ist doch klar: Der Begriff Gegner steht nicht für eine gemeinsame Basis und für gemeinsame Ziele.“
Für den Politikwissenschaftler Professor Christoph Butterwegge ist es keine Überraschung, dass vor allem sächsische CDU-Mitglieder mit der AfD kungeln (wollen). Er hat Erfahrungen mit ihnen. Gut drei Jahre war Butterwegge, wie er in einem Interview mit dem „ND“ am 5. Oktober erklärte, Mitglied der Enquetekommission des sächsischen Landtags für den demografischen Wandel. Damals war die NPD noch im Landtag vertreten. Er, so Butterwegge, konnte damals feststellen, dass in „der CDU-Fraktion ideologische Überschneidungen mit ultrarechten Kernideologien nicht zu übersehen“ waren. Und das dürfte sich bis heute nicht geändert haben. Schwarz-Blau wäre in Sachsen durchaus möglich. Und auch die Landesvorsitzende der Linkspartei, Antje Feiks, sieht das so. In einer Presseerklärung Ende September betonte sie: „Die Kooperation von CDU und AfD bei der Oberbürgermeisterwahl in Meißen hat im Kleinen gezeigt, was die Schwarzen in Sachsen vorhaben: Es droht eine rechts-rechtsaußen Koalition.“