Zur „Doppelgänger“-Kampagne des Bayerischen Verfassungsschutzes

Missverständnis

Liebe mitlesende Verfassungsschützer aus Bayern, eure Aufklärung über die „Doppelgänger-Kampagne“ ist nicht angekommen. Eine kurze Google-News-Suche ergibt beim Wort „Doppelgänger“ auf der ersten Seite Meldungen über Doppelgänger eines DFB-Stars. Die „Regensburger Nachrichten“ berichten über essbare Pilze und ihre Doppelgänger.

„Die Grundfesten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ seien gefährdet. Deshalb habt ihr 14 Monaten lang umfangreiche technische Mittel eingesetzt. Dabei hättet ihr wesentliche Erkenntnisse „generiert“. Ihr behauptet, ein Netzwerk enttarnt zu haben, über das systematisch russische Desinformationen verbreitet werden. Wie immer ist der Russe hinterhältig und heimtückisch – gleichzeitig aber dilettantisch: die „datenforensische Analyse“ zeige, dass die Kampagne „überwiegend zu Bürozeiten“ in russischen Zeitzonen organisiert ­wurde.

Den Namen der Kampagne leitet ihr von nachgebauten Webseiten deutscher Medien ab. Dadurch suggeriert ihr, dass die komplette Seite mit eigenen Inhalten gespiegelt wird. Es handelt sich wohl nur um einzelne Beiträge. Diese erwecken den Anschein, sie seien online bei der „Süddeutschen“ (SZ) oder der „FAZ“ erschienen. 317 solcher Beiträge wurden dem „Spiegel“ nachempfunden, mit Abstand die meisten. Bei eurem Beispielartikel führt ein Klick auf die Links zum Original: Dem Hamburger Magazin, das bei der Verbreitung von Russenhass die Nase immer ein bisschen mehr vorn hat.

In einer zweiten Kategorie erfasst ihr bayrischen Verfassungsschützer Webseiten, „die vorgeben, unabhängige Nachrichtenseiten“ zu sein. 16 deutschsprachige habt ihr entdeckt. Sie kommen in einem modernen Layout daher. Nur hat der Russe vergessen, sich für die Seiten ein Impressum und Autorennamen auszudenken.

In der dritten Kategorie erfasst ihr Webseiten, „deren Inhalte der Akteur in Teilen weiterverbreitet hat“. In der Liste tauchen die rechten Zeitungen „Compact“ und „Junge Freiheit“ auf. Auch die UZ sowie viele bürgerliche Medien erwähnt ihr.

In ihrer Berichterstattung haben euch die Medien missverstanden. Erste Veröffentlichungen erweckten den Eindruck, die „Berliner Zeitung“, der „Freitag“ und die „Nachdenkseiten“ verbreiteten russische Narrative. Nun seid ihr zurückgerudert: Ihr unterstellt auf keinen Fall, dass die Betreiber der von euch genannten Seiten russische Propaganda betreiben würden. Bei den drei genannten Medien habt ihr jeweils einen vom „Akteur“ verlinkten Artikel gefunden. Bei der UZ geht ihr leider nicht ins Detail.

Zum Glück haben NDR, WDR und SZ umfangreiches Material aus einem Datenleak zugespielt bekommen. Sie enthüllten Anfang der Woche, dass der „Akteur“ hinter der „Doppelgänger-Kampagne“ die russische „Social Design Agency“ (SDA) sein soll. In einem internen Firmenvideo beschreibt die SDA laut „tagesschau.de“ ihre Aufgabe mit „Informationen aus dem westlichen Medienbereich zu sammeln und zu analysieren, eigene Narrative zu entwickeln und diese in Content zu verpacken“. Die gefährlichen Inhalte macht die TAZ öffentlich: „Friedensplan und Diplomatie“. Dazu orientiere die SDA sowohl auf die AfD als auch auf das BSW. Genannt werden auch Personen, die ähnlich gefährlich argumentieren.

Das Ziel Russlands sei, Zwietracht in Deutschland zu säen. Sehr erfolgreich sei der Russe dabei nicht. Warum also diese Anti-Kampagne? Sollen da etwa Friedenspositionen verächtlich gemacht werden? Oder gar von den zerstörerischen Auswirkungen der Ampel-Politik abgelenkt werden? Sicher ein Missverständnis. Bayerns Verfassungsschutz und die Medien verteidigen schließlich die Grundfesten der Heimatfront.

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"Missverständnis", UZ vom 20. September 2024



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