Martin Küpper: Materialismus, Köln, 2017, 127 S., 9,90 Euro
Materialismus war als philosophischer Begriff immer umkämpft, heißt es auf der Rückseite des Bändchens, das im vergangenen Jahr in der Reihe „Basiswissen“ im Papyrossa-Verlag erschienen ist. Er ist es heute auch. Besser gesagt, es ist nicht nur der Begriff, sondern die philosophische Richtung, die heftig umstritten ist. Der Materialismus ist die philosophische Grundlage für den Kampf gegen die Reaktion und für gesellschaftlichen Fortschritt. Er ist das gedankliche Grundnahrungsmittel für Marxisten. Marxist kann nur sein, wer Materialist ist. Die materialistischen Grundüberzeugungen fallen Menschen leicht, die arbeiten müssen, um zu überleben, und noch leichter jenen, die aktiv am Klassenkampf teilnehmen. Dennoch müssen auch sie sich den Materialismus erarbeiten. Die kommunistischen Parteien widmen den ersten Teil ihrer Schulungen für die Mitglieder der Einführung in den Materialismus.
Von dieser Art ist die hier besprochene Einführung nicht. Sie präsentiert nur in einem extrem kurzen ersten Kapitel von fünf Seiten die Frage „Was ist Materialismus?“, ohne eine Antwort zu liefern. Das ganze Buch kommt stattdessen als Geschichte materialistischer Philosophien daher. Das ist sicher auch interessant. Aber die im Vorwort versprochene „kurze Einführung“ in das Thema kommt so nicht zustande. Das Problem dabei besteht nicht nur darin, wofür der Autor ebenfalls im Vorwort um Entschuldigung bittet, dass einige Denker bei so wenig Platz immer zu kurz kommen müssen. Es fehlt der philosophische Zugriff aufs Thema. Stattdessen werden der Reihe nach Kapitel zu „Materialismus in der Antike“, „Materialismus im Mittelalter“, Materialismus in der Frühen Neuzeit“, Materialismus im 19. und 20. Jahrhundert“ und schließlich „Zeitgenössischer Materialismus“ geboten. Es folgt noch eine Schlussbemerkung, und Autor und Leser sind am Ende. Vielleicht hat Küpper so an der Universität Philosophie gelernt.
Im Oberkapitel 19. und 20. Jahrhundert findet sich ein kurzes Unterkapitel von knapp neun Seiten, das sich mit den Materialisten Karl Marx und Friedrich Engels befasst. Da wird dann auch die Herausbildung des Historischen Materialismus (HM) anhand einiger Publikationen der beiden knapp geschildert. Dass der HM die menschliche Gesellschaft und ihre Geschichte zum ersten Mal einer wissenschaftlichen Untersuchung zugänglich macht, erfährt man nicht. Ebenso wenig, dass der HM die Erkenntnistheorie neu begründet. Dass die Form menschlicher Arbeit (oder auch des Stoffwechsel mit der Natur) der wichtigste grundlegende Schritt zur Analyse von Gesellschaften ist, wird kurz erwähnt. Dass es in der bisherigen Geschichte Klassen gibt und geben muss, dass die Klassenkämpfe das bestimmende Moment im Geschichtsprozess sind, interessiert offensichtlich nicht weiter. Der Autor selbst versucht sich selbst an verschiedenen Stellen in der historisch-materialistischen Analyse, wenn er beispielsweise die Produktionsverhältnisse umreißt, die zur Entstehung der griechisch-antiken Philosophie geführt haben. Ein löblicher Versuch, aber ganz so einfach geht es nicht.