Nun ist es also offiziell: Der deutsche Staat beschert den Atomkonzernen kurz vor Weihnachten noch schnell ein Milliardengeschenk. Am Donnerstag stand im Bundestag das Gesetz zur „Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung“ zur Abstimmung, und eine große Mehrheit aus CDU, SPD und Grünen hatte bereits im Vorhinein erklärt, für das Gesetz zu stimmen.
Das Gesetz sieht vor, dass die Bundesrepublik den Atomkonzernen E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW die Verantwortung für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls abnimmt. Im Gegenzug, so eine Übereinkunft mit den Konzernen, sollen die Energieriesen bis zum Jahr 2022 rund 23 Milliarden Euro in einen staatlichen Fonds überweisen. Ebenfalls sollen sie mehrere Klagen gegen den Staat fallen lassen. Mit den bisherigen Schadenersatzklagen in Höhe von 19 Milliarden Euro waren die Energiekonzerne weitgehend gescheitert.
Nach bisheriger Regelung waren die Atomkonzerne verpflichtet, für die Kosten des Rückbaus der Kraftwerke und für die Endlagerung des Atommülls Rücklagen zu bilden. Zusammen haben sie rund 38 Milliarden Euro zurückgelegt. Allerdings lagen diese Rückstellungen nicht auf irgendeinem Konto, sondern waren in Kraftwerken angelegt. Doch diese erwirtschafteten durch die Energiewende immer weniger und verloren an Wert. Nach Angaben des Handelsblattes hätten die Rücklagen aber auch keineswegs ausgereicht: Schätzungen gingen davon aus, dass zwischen 50 bis 70 Milliarden benötigt würden – weit mehr als zurückgelegt.
Um die Atomkonzerne vor einem möglichen Bankrott durch den Atomausstieg und die Aktionäre vor einem Verlust ihres angelegten Kapitals zu bewahren, hatte die Bundesregierung eine Kommission eingesetzt unter Leitung von Jürgen Trittin (Grüne), Matthias Platzeck (SPD) und Ole von Beust (CDU). Sie sollte die Finanzierung des Atomausstiegs überprüfen und gemeinsam mit den Konzernen Wege finden, wie die zu erwartenden Kosten zumindest teilweise auf den Staat abgewälzt werden können.
Deren Vorschlag, der nun die Grundlage des neuen Gesetzes bildet, sieht vor, dass die Atomkonzerne nach wie vor für den Rückbau der Kraftwerke verantwortlich sind, während sich der Staat um die Zwischen- und Endlagerung kümmert. „Wir haben insgesamt eine sehr vernünftige Lösung gefunden“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Michael Fuchs.
2011, nach der Kernschmelze in Fukushima, hatte die Bundeskanzlerin verkündet, den Atomausstieg beschleunigen zu wollen. Die 13. Fassung des Atomgesetzes mit der endgültigen Stilllegung von acht Kernkraftwerken wurde am 30. Juni 2011 von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Die übrigen Kernkraftwerke sollen bis 2022 stillgelegt werden. Gegen das Atomgesetz legten E.ON, RWE und Vattenfall Verfassungsbeschwerde ein. EnBW, der vierte, bleibt als Staatskonzern rechtlich außen vor. Die Beschwerdeführerinnen rügen eine Verletzung der Eigentumsfreiheit, wie sie das Grundgesetz festlegt („Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt“). Diese Beschwerde wies das Bundesverfassungsgericht am 6. Dezember zurück. Bei der Abschaltung von acht AKW, der Laufzeitbegrenzung von neun anderen Reaktoren sowie der ersatzlosen Rücknahme der Ende 2010 beschlossenen Laufzeitverlängerung der AKW handele es sich nicht um eine Enteignung, sondern nur um eine Beschränkung des Eigentums in Gestalt des Nutzungsrechts der AKW. Den Atomkonzernen stehe keine Entschädigung zu. Das BVerfG billigt dem Gesetzgeber die durch die Abschaltung durchgesetzte Risikominderung zu. Das sei ein legitimes Regelungsziel und nicht zu beanstanden. Denn die Beschleunigung des Atomausstiegs diene dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung.
Allerdings haben die Energiekonzerne in Randbereichen Recht bekommen. Die Laufzeit von AKW Krümmel und Mülheim-Kärlich reiche nach der neuen Regelung nicht mehr aus, die 2002 versprochenen Strommengen zu produzieren. So bleibe ein Rest von etwa viereinhalb und vier Jahresproduktionen eines AKW, die Vattenfall und RWE verloren gingen. Außerdem komme eine Entschädigung für wertlos gewordene Investitionen in Betracht, wenn diese Investitionen zwischen Laufzeitverlängerungsbeschluss am 8.12.2010 und Atom-Moratorium am 16.3.2011 getätigt wurden; allerdings auch nur dann, wenn sie nicht auch ohne die Laufzeitverlängerungen vorgesehen waren. Hier könnten immerhin noch dreistellige Millionensummen Entschädigung fällig werden.
Im Gegenzug übernimmt der Bund den Bau und die Finanzierung von Zwischen- und Endlagern. Auch das wird viel Geld verschlingen. Dessen ist sich auch CDU-Politiker Fuchs bewusst, und diskreditiert die ernsthafte Suche nach einem Endlager laut FAZ als „Bohrlochtourismus“. „Wenn die Politik aber erst alles im Schwarzwald, in der Lüneburger Heide, im Bayerischen Wald oder sonst wo erkunden will, kann es teuer werden“, wird er zitiert.