Noch in dieser Woche soll das „Sondervermögen Bundeswehr“ Gesetz werden. CDU/CSU und FDP diktieren Vereinbarung, die Maximalprofit für Waffenkonzerne und mehr Armut garantiert

Milliarden-Pakt für Aufrüstung

Fast auf den Tag genau drei Monate nach der Rede von Olaf Scholz am 27. Februar im Bundestag wird die „Zeitenwende“ vollzogen. Am Sonntagabend trafen sich im Bundesfinanzministerium für die Koalitionsparteien Kriegsministerin Christine Lambrecht (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) sowie Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit Finanz- und Verteidigungspolitikern der CDU/CSU.

Nach zweistündigen Gesprächen und einer Stunde Bedenkzeit für die Grünen verkündeten sie in einer Erklärung, die nicht vollständig veröffentlicht wurde, sie hätten sich auf 100 Milliarden Euro für ein „Sondervermögen Bundeswehr“ geeinigt. Bis 2027 sollen jährlich rund 20 Milliarden zu den geplanten mehr als 50 Milliarden Euro für den Kriegshaushalt hinzukommen. Damit will die Bundesregierung die NATO-Absprache einhalten, rund 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus dem Fenster zu werfen. Die Vereinbarung ist Ausdruck des Kurses auf Hochrüstung und Krieg, den die aggressivste Fraktion des deutschen Kapitals eingeschlagen hat.

Das „Sondervermögen“, über das es keine gesellschaftliche Debatte gab, soll mit größter Eile durch das Parlament gepeitscht werden. Selbst die Fassade demokratischer Gepflogenheiten wird nicht mehr gewahrt: Am Mittwoch um 7.30 Uhr Sondersitzung des Haushaltsausschusses, danach Absprachen zur Arbeit des Begleitgremiums, das die Verwendung der 100 Milliarden Euro überwachen soll. Am Freitag Verankerung des „Sondervermögens“ im Grundgesetz mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag, das heißt mit Zustimmung von CDU/CSU.

Rundum zufrieden zeigten sich nach der Einigung vom Sonntag CDU/CSU und FDP. CDU-Chef Friedrich Merz triumphierte am Montag, seine Fraktion habe sechs Punkte genannt, die Voraussetzung für ihre Zustimmung seien. Die Ampelkoalition sei nun „dankenswerterweise bereit gewesen, uns in allen diesen sechs Punkten zu folgen“. Das sei ein großer Erfolg für die parteiübergreifende Zusammenarbeit im Bundestag. Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg erklärte, die 100 Milliarden Euro könnten jetzt vollständig in die Bundeswehr fließen – das sei für die Union „der Hauptpunkt“ gewesen. Außerdem bleibe die Bundeswehr „auch nach Auslauf des Sondervermögens ausfinanziert“. Minister Lindner betonte am Montagabend im ZDF-„heute journal“, 2023 sei die Schuldenbremse nicht verhandelbar.

Was das heißt, deutete die „Süddeutsche Zeitung“ am Dienstag an: Vor allem die Grünen hätten gewollt, dass mit dem Geld auch Cyberabwehr sowie Unterstützung für Partnerstaaten finanziert werde. Das lehnten Union und FDP ab, diese Vorhaben werden nun aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanziert. Das berge neue Konflikte, so die Zeitung, weil sie „nun mit anderen Koalitionsprojekten im Haushalt konkurrieren könnten“. Eilig versicherte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert am Montag in Berlin: „Die Ampel-Regierung muss von keinem ihrer sozialen Ziele Abstand nehmen.“ Es werde „keine Konkurrenzdiskussion“ geben, behauptete er, und verwies auf die anstehende Erhöhung des Mindestlohns und der Renten. Nach der Einigung zum „Sondervermögen“ sei dieser Montag „ein wichtiger und durchaus auch ein schöner Tag“ für die SPD. So kann man „sozialdemokratisches Jahrzehnt“ und „Zeitenwende“ auch verstehen.

Unter den Parlamentsparteien kritisierte allein die Partei „Die Linke“ die Vereinbarung scharf. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen nannte das „Sondervermögen Bundeswehr“ in einer Pressemitteilung „eine unglaubliche Verschleuderung von Steuergeldern auf Kosten breiter Teile der Bevölkerung“. Es brauche eine „Zeitenwende für soziale Sicherheit, nicht für die organisierte Bereicherung von Rüstungskonzernen“.

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"Milliarden-Pakt für Aufrüstung", UZ vom 3. Juni 2022



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