Geplante Subvention für „Industriestrom“ spaltet Koalition

Milliarden für Monopole

Die bereits per Gesetz in Kraft getretene Strompreisbremse für die breite Bevölkerung hat die Inflationssorgen kaum gemindert. Kein Wunder: die Regierung von SPD, Grünen und FDP hat für sie den Preis bei immer noch teuren 40 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt. Durch denselben Gesetzgebungsakt ist seit Anfang dieses Jahres der Strompreis für kleine und mittlere Unternehmen auf 13 Cent begrenzt worden.

Nach langem Brodeln in der Regierungsgerüchteküche kam Ende letzter Woche das Bundeswirtschaftsministerium unter Robert Habeck (Grüne) mit offiziellen Plänen für eine weitere Strompreisdeckelung aus der Kehre, die demnächst ins Bundeskabinett zur Beratung kommen sollen. Kern des Vorhabens ist die Begrenzung des Strompreises für „Betriebe aus der Grundstoffindustrie“ wie der Stahl- und Chemiebranche auf traumhafte sechs Cent pro Kilowattstunde. Das würde bis 2030, rechnete das Ministerium vor, 25 bis 30 Milliarden Euro kosten, die aus dem „Wirtschaftsstabilisierungsfond“ (WSF) entnommen werden könnten.

Interessant an der Vorlage ist dabei ein Detail: Aus dem WSF nämlich werden auch die unzureichenden Massenentlastungen gespeist – aber nur bis April 2024. Die dort also – auch dank der ausgefeilten Bürokratie, die jede Massenentlastung begleitet – nicht ausgeschöpften Mittel sollen den Großkonzernen nun sechs weitere Jahre zur Verfügung stehen, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die dieselbe Bundesregierung durch das Verbot kostengünstigen russischen Erdgases in die Tonne getreten hatte. Dieses Erdgas wirkte über Jahrzehnte wie eine Art russische Dauersubvention für die deutsche Chemie- und Stahlindustrie und hat weit entscheidender als eingebildete deutsche Ingenieurskunst zu der starken internationalen Stellung dieser Branchen beigetragen.

Gegen die Pläne hat sich ein Sturm der Entrüstung erhoben. Zum einen protestierte der liebe Koalitionspartner FDP – das sei regierungsintern überhaupt nicht abgesprochen und angesichts der angespannten Haushaltslage neben den ganzen anderen Sonderaufwendungen auch nicht zu finanzieren. Noch deutlicher wurde am Sonntag danach Marie-Christine Ostermann, Präsidentin der Familienunternehmer: „Habecks Subventionspläne spalten unser Land: auf der einen Seite die vom Staat abhängigen Großkonzerne, auf der anderen Seite die mittelständischen Familienunternehmen und Arbeitnehmer, die dies bezahlen. … Die Fixiertheit des Wirtschaftsministeriums auf Großindustrie und Subventionen als einziges Instrument für Wirtschaftspolitik ist völlig realitätsvergessen, weil auch sehr viele mittelständische Betriebe dem internationalen Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind.“

Deutlicher lässt sich „Stamokap“ – also der „staatsmonopolistische Kapitalismus“, der unser Land prägt – und die Notwendigkeit eines Zusammenschlusses von Arbeitern, Angestellten, Arbeitslosen und kleinen und mittleren Unternehmen gegen die großen Konzerne und die ihnen verpflichtete Regierung kaum beschreiben. Der Ruf nach Hilfe auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wird ungehört verhallen – die ökonomischen Mittel des zunehmend nach unten rutschenden deutschen Imperialismus reichen neben der Führung des Wirtschaftskrieges gegen Russland dafür nicht aus. Familienunternehmen wie der Wärmepumpenfabrikant Vissmann haben das inzwischen erkannt und ihre Anteile angesichts der Stärke vor allem asiatischer Unternehmen versilbert.

Die jetzt für heftigen Streit sorgende Strompreissubventionierung für Großkonzerne ist nicht nur unsozial und ein Affront gegenüber allen KMU dieses Landes. Sie ist vor allem ein Zeichen für das erreichte Maß an Verzweiflung dieser Bundesregierung angesichts der sich von Quartal zu Quartal weiter verdüsternden ökonomischen Aussichten des deutschen Kapitalismus. Für die Linke und die Gewerkschaften sollte die Ratlosigkeit Ansporn sein, eine grundlegende Abkehr von der Politik der Rutschpartie zu fordern.

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"Milliarden für Monopole", UZ vom 12. Mai 2023



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