Ein Erfolg der Berliner Kampagne „Deutsche Wohnen enteignen“ würde keine bezahlbaren Wohnungen schaffen

Milliarden für Enteignung?

Von Christian Spenger

Es ist der jüngste Coup des berüchtigten Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen AG (DW) in Berlin: Er möchte rund 700 Wohnungen in der Karl-Marx-Allee kaufen. Die betroffenen Mieter befürchten Mieterhöhungen und Wohnungsverlust. DW ist mit ca.110 000 Wohneinheiten größter Privateigentümer in der Hauptstadt. Der Sinn und Zweck börsennotierter Immobilienunternehmen wie DW oder Vonovia ist die Mehrung von Profit, die Wertsteigerung ihrer Aktien und die Gewinnausschüttung an die Aktionäre. In ihren Augen ist der Berliner Mietenmarkt bisher moderat, was sie in Goldgräberstimmung bringt.

Auf die verheerende Rolle solcher Immobilien-AGs, hierzulande ein relativ neues Phänomen, macht die Berliner Mietergemeinschaft (BMG e. V.) aufmerksam. Längst haben sich Mieter der DW aus allen Bezirken der Stadt in einem politischen Bündnis organisiert, um sich gegen die Machenschaften des Konzerns zu wehren. Beides findet die Zustimmung und Unterstützung der DKP.

Nun wurde aus den Reihen langjähriger Aktivisten der Bewegungslinken die Kampagne „Deutsche Wohnen enteignen!“ ins Leben gerufen, die die „Enteignung großer und börsennotierter Wohnungsunternehmen“ fordert. Man denkt an die Kampagne zur Fürstenenteignung in Folge der Novemberrevolution vor genau 100 Jahren oder an „Junkerland in Bauernhand“ damals in der DDR. Warum also nicht auch „DW enteignen“? Das Grundgesetz, so die Initiatoren, erlaube in Artikel 14 eine Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit. Sie wollen den Berliner Senat per Volksentscheid dazu bringen, Privatvermieter, die mehr als 3 000 Wohnungen besitzen, zu enteignen.

Damit ist in diesem Fall eine Enteignung gegen Entschädigung gemeint – eine andere ist in diesem Staat gar nicht zulässig. Es wäre also gar keine Enteignung, sondern ein (Zwangs-)Verkauf. Rouzbeh Taheri, Sprecher der Initiative Mietenvolksentscheid, die die Kampagne unterstützt, rechnet mit einer Entschädigungssumme von etwa 10 bis 15 Milliarden Euro. Experten der BMG e. V. schätzen den Marktwert aller DW-Immobilien bundesweit auf gut 60 Milliarden Euro. Deutlich wird, dass eine „Enteignung“, wie sie die Berliner Kampagne fordert, der DW Milliarden aus öffentlichen Mitteln zahlen müsste. Auch eine Gewinnerwartung bzw. künftige Wertsteigerungen wären zu berücksichtigen. Bei einem Erfolg der Kampagne würde die tatsächliche Entschädigungssumme letztlich wohl durch ein bürgerliches Gericht festgelegt. Die Staranwälte der DW wissen, wie mit der ohnehin kapitalfreundlichen Justiz umzugehen ist. Wir erinnern uns: Die Immobilienmasse des Konzerns kam einmal zustande, weil er zu Spottpreisen öffentliche Wohnungsbestände aufkaufte. Die „Enteignung“ würde zu einem sagenhaften Immobiliengeschäft für DW.

Die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum ist, obwohl Berlin pro Jahr um mindestens 40 000 Einwohner wächst und die Obdachlosigkeit wie nie zuvor grassiert, kein Thema der Kampagne. Artikel 28 der Verfassung von Berlin formuliert: „Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum. Das Land fördert die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen“. So lässt sich die Forderung nach einem massiven kommunalen Wohnungsbauprogramm begründen, wie es die von der BMG e. V. angestoßene „Initiative Neuer Kommunaler Wohnungsbau“ (INKW) seit Jahren tut.

Auch hier wären Milliarden öffentlicher Gelder nötig. Aber auf lange Sicht relativiert sich die Summe, der entstehende Wohnraum wäre über Jahrzehnte nutzbar und verbliebe in öffentlicher Hand. Die Berliner DKP trägt diese Kernforderung mit und fordert das Verbot der Veräußerung kommunaler Wohnungen. Nur so kann den spekulativen Geschäften der Immobilien-AGs die Grundlage entzogen werden, die durch den Wohnraummangel erst möglich wurden.

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"Milliarden für Enteignung?", UZ vom 4. Januar 2019



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