Mark Ellmann auf dem Ostermarsch in Berlin am 19. April

Militarisierung und reaktionärer Staatsumbau gehen Hand in Hand

Mark Ellmann

Wir dokumentieren die Rede von Mark Ellmann, gehalten auf dem Ostermarsch in Berlin am 19. April in voller Länge. Ellmann koordiniert die Aktivitäten der GEW Bayern gegen das Gesetz zur Förderung der Bundeswehr und ist UZ-Autor. Für bessere Lesbarkeit haben wir die Rede bearbeitet.

Mein Name ist Mark Ellmann, ich bin in der Friedensbewegung in München aktiv, unter anderem gegen die sogenannte „Sicherheitskonferenz“. In der Bildungsgewerkschaft GEW Bayern habe ich die Aktivitäten gegen das Bayerische Bundeswehrgesetz koordiniert. Danke an die Friko Berlin für die Einladung, und danke an Euch, dass ihr mir zuhört.

Liebe Friedensfreunde, liebe Kollegen, es gibt in München eine Gewerkschaftsinitiative, in der üben wir, Kolleginnen und Kollegen vor allem aus ver.di, GEW und IG Metall, den Schulterschluss zwischen Gewerkschaften und Friedensbewegung. Für unsere Aktivitäten im Rahmen der Tarifrunde der Öffentlichen Dienste von Bund und Kommune ist dieser Schulterschluss wichtig. Anstatt sowohl „Verteidigungsfähigkeit“, also Aufrüstung, als auch Soziales zu fordern, nennt sich unsere Münchner Initiative „Soziales rauf! Rüstung runter!“.

Denn wir wissen, dass nichts mehr bleibt für Bildung, Gesundheit und Infrastruktur, wenn alles in die Rüstung gesteckt wird – ob schuldenfinanziert oder nicht.

Deswegen sind wir als Gewerkschaften schlecht beraten, wenn wir mit dem Ausbau der Rüstungsindustrie auf neue Arbeitsplätze hoffen. Wenn wir unsere Forderungen nach einem sozialen und ökologischen Umbau der Wirtschaft den Transformationsideologen des großen Kapitals überlassen, gehen wir ihren Weg in die Kriegswirtschaft mit. Diese scheint alternativlos,

  • wenn wir uns erzählen lassen, die herrschende Politik sei auf einmal bereit, ihre Schuldenbremse zu lockern, obwohl es um militärisch nutzbare Infrastruktur-Projekte geht.
  • wenn wir bis zum Ausbau erneuerbarer Energiequellen lieber Fracking-Gas via Schiff aus den USA beziehen anstelle von Erdgas aus russischer Pipeline als bezahlbarer Brückentechnologie.
  • wenn wir die Rücknahme der brandgefährlichen Auf- und Hochrüstung nicht durchsetzen und beim Wettrüsten der europäischen NATO-Staaten zuschauen, die bereits heute weit mehr ausgeben als Russland, wie eine von Greenpeace herausgegebene Studie feststellt.

Übrigens: Der Bundeswehr-Oberst a. D. Richter hat in einer Studie für die Friedrich-Ebert-Stiftung festgestellt, dass die Eskalationsgefahr vielmehr von der realen Bedrohung durch die NATO gegenüber Russland abhängt. Dies nicht anzuerkennen oder gar ohne Belege das Gegenteil zu behaupten, schränkt, wie die Idee einer „Staatsräson“, die Realität der Meinungsfreiheit ein.

Zuletzt und vielleicht am Wichtigsten: Die Kriegswirtschaft scheint vor allem dann alternativlos,

  • wenn wir uns eine Bedrohung von außen – durch Russland oder China – einreden lassen und
  • wenn wir weiterhin zwar von unten nach oben umverteilen, aber auf die Besteuerung von großen Vermögen, Erbschaften und Superreiche verzichten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eine Illusion, zu glauben, dass wir an der Kriegswirtschaft mitverdienen. Denn steigende Profite der Rüstungskonzerne werden weder dringend benötigte Stellen im Öffentlichen Dienst finanzieren, noch Arbeitsplätze in der Automobilwirtschaft sichern.

Anstatt auf die Umwandlung von zivilen Produktionsstätten in Rüstungsbetriebe zu hoffen, wollen wir uns gegen explodierende Kosten und drohende Werksschließungen engagieren. Anstatt von deutscher „Verteidigungsfähigkeit“ zu sprechen, wie es die DGB-Führung zu den diesjährigen Ostermärschen macht, sollten wir über Abrüstung, Diplomatie und Völkerfreundschaft sprechen.

Kriegswirtschaft ist keine Option für uns. Denn es ist kein Zufall, dass die NATO-Führungsmacht USA mit ihrem militärisch-industriellen Komplex seit jeher das Völkerrecht und die territoriale Integrität einzelner Staaten in Frage stellt und bricht. Dahinter steckt: Die Rüstungsware realisiert keinen Wert, wenn sie nicht zur Zerstörung gedacht den Besitzer wechselt und eingesetzt wird. Es ist also die Logik der Rüstung und Militarisierung, die keine Umkehr und keinen Frieden kennt.

Dass die Militarisierung deswegen auch mit einem reaktionären Umbau unserer gesamten Gesellschaft einhergeht, lehrt uns die Geschichte und die Gegenwart.

Vor allem im Sozial- und Bildungsbereich sind die Auswirkungen spürbar. Nicht nur in Bayern nehmen die Berufsverbotsfälle wieder zu. Doch noch bleibt der Aufschrei aus, ebenso, wie der Aufschrei bei der Annahme eines der sogenannten „Artikel-Gesetze“ im Rahmen der Zeitenwende ausblieb. Das ist ein Gesetz von mehreren, das im Februar im Rahmen des aktuellen reaktionär-militaristischen Umbaus verabschiedet wurde. Es dient der Aufhebung der Zuverdienstgrenze von Soldaten, die sich nach dem Ende ihrer Laufbahn noch etwas in der Rüstungsindustrie dazuverdienen, indem sie dort Soldaten aus Kriegsländern zeigen, wie sie deutsche Rüstungsgüter bedienen. Diese Gesetzesänderung zeigt den Zustand des politischen Diskurses – denn keine der im aktuellen Bundestag vertretenen Fraktionen hat dagegen gestimmt. Deswegen braucht es außerparlamentarischen Druck der Friedensbewegung!

In Bayern darf die deutsche Armee seit diesem Schuljahr sogar, was uns Gewerkschaftern dort oftmals noch untersagt wird: In die Schulen gehen. Das Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern macht den Jugendoffizier im Klassenzimmer zur Regel und verbietet Hochschulen und Universitäten, sich freiwillig zu ziviler Forschung zu verpflichten. Zusammen mit 200 Mitstreitern aus Bildungspolitik und Friedensbewegung haben wir Klage beim Verfassungsgericht eingereicht.

Entsprechende Gesetze nach bayerischem Vorbild sind durch die CDU in Berlin und im Bund in Vorbereitung. Wohin das führen wird, sehen wir schon heute: Jeder vierte minderjährige Soldat kommt aus Bayern, und jeder zehnte Rekrut ist unter 18 Jahre alt – Tendenz steigend.

Eine andere Möglichkeit, die Jugend im Bildungsbereich an das Militär zu gewöhnen, haben wir an der Technischen Universität (TUM) in München gesehen. Dort kam die Armee zur Übung auf das Universitätsgelände und fuhr mit Jeeps und Panzern auf, um eine Geiselbefreiung zu proben. Die ver.di-Betriebsgruppe an der TUM rätselt über „die Gründe für dieses Manöver direkt am Semesteranfang“: „Steht es im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz zur Förderung der Bundeswehr (in Bayern, Anmerkung des Autors)? Warum an der Technischen Uni, wenn es in München doch eine Bundeswehr-Uni gibt? (…) Oder geht es einfach ‚nur‘ um die Normalisierung der Bundeswehr im Alltag?“ (TU Ma was! 1/25, S. 21).

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Friedensfreunde, diese Beispiele sind keine bayerischen Besonderheiten, sondern Vorboten für zu erwartende reaktionär-militaristische Vorstöße.

Nicht nur in Bayern, auch in Berlin und im Bund greifen Wissenschaftsministerinnen über das Maß ihrer Kompetenz und Zuständigkeit in die Freiheit von Lehre und Wissenschaft ein, vor allem, wenn es gegen Angehörige der Hochschule geht, die nicht schweigen können angesichts der deutschen Unterstützung für den Kriegskurs der israelischen Regierung, die den Gaza-Streifen unbewohnbar macht für Palästinenser durch Zerstörung und Besatzung.

Dieser Rechtsruck in der Bildungs- und Hochschulpolitik unterscheidet sich nicht von dem, was Trump aktuell in den USA macht. Dass der kein Friedensengel ist, zeigt ein Blick nach Gaza: Statt Völkerrecht weitere Siedlungen und der Beschuss von UN-Friedenstruppen. Die GEW setzt sich für eine Zwei-Staaten-Lösung ein, fordert einen dauerhaften Waffenstillstand und humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza.

Zum Schluss möchte ich noch eine Sache ansprechen: Im nächsten Jahr sollen US-Waffen in Deutschland stationiert werden, die in der Lage wären, Russland mit einem militärischen Enthauptungsschlag anzugreifen. Lasst uns gemeinsam dafür eintreten, dass dieser Plan bekannt wird und verhindert wird! Denn Aufklärung tut Not.

Die angedachte „Führungsrolle“ Deutschlands zeigt sich in der geplanten Stationierung von US-Angriffsraketen. Diese machen Deutschland nicht nur zum Player an der Seite der USA, sondern auch zum potentiellen Kriegsschauplatz. GEW Bayern und GEW Berlin setzen sich gemeinsam für eine Stärkung des Berliner Appells zur Verhinderung der geplanten Raketenstation ein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Berlinerinnen und Berliner, danke, dass ich sprechen durfte.

Setzen wir uns gemeinsam für eine Gesellschaft ein, die nicht am Krieg verdient, sondern den Frieden sichert und Schluss macht mit Militarisierung und zerstörerischem Wettrüsten!

Mark Ellmann koordiniert die Aktivitäten der GEW Bayern gegen das Gesetz zur Förderung der Bundeswehr und ist UZ-Autor

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