Anstatt die Umstände des Anschlages in Berlin aufzuklären, debattieren die Regierungspolitiker über weitere Verschärfungen der Sicherheitsgesetze. Bislang ist wegen des Anschlags keine weitere Sondersitzung des Innenausschusses im Bundestag geplant. Ein entsprechender Untersuchungsausschuss des Bundestages, den unter anderem die Fraktion der Partei „Die Linke“ fordert, scheint nicht in Sicht.
Die Aufklärung fehlt – und das mehr als drei Wochen nach dem Anschlag in Berlin. Was ist im Zusammenhang mit dem Attentäter Anis Amri tatsächlich schiefgelaufen? Wo haben Behörden versagt oder schlampig gearbeitet? „Sind vorhandene Gesetze nicht richtig angewendet worden? Müssen Abläufe verändert und das Personal verstärkt werden?“, fragt „Die Zeit“.
Statt dessen gibt es einen regelrechten Überbietungswettbewerb in Sachen „innere Sicherheit“. In diesem wird – so von der CSU-Bundestagsgruppe auf ihrer Klausur – auch die Forderung nach dem Bundeswehreinsatz im Inneren wieder stärker thematisiert. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte in seinem sicherheitspolitischen Konzept Anfang des Jahres gleichfalls den Einsatz der Bundeswehr im Inland.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wandte sich zum wiederholten Male gegen diese Forderung. Auch die SPD und die Opposition im Bundestag sind strikt gegen einen Militäreinsatz im Inneren und fürchten eine schleichende Ausweitung der Kompetenzen der Bundeswehr im Land. Im Juli 2016 hatten sich Union und SPD im Bundeswehr-Weißbuch allerdings darauf verständigt, dass die Bundeswehr bei größeren Anschlägen auch ohne Grundgesetzänderung eingesetzt werden darf. Ansonsten gibt es klare Regelungen des Grundgesetzes, die aber offenbar weiter „modifiziert“ und letztlich ausgehebelt werden sollen. Unabhängig von den politischen Debatten werden Bundeswehr und Polizeikräfte vom 7. bis zum 9. März gemeinsam in mehreren Bundesländern einen Anti-Terror-Einsatz üben.
Die CSU-Bundestagsgruppe hat auf ihrer Klausur im Kloster Seeon wie erwartet ihren flüchtlingsfeindlichen und antidemokratischen Kurs bestätigt. Die Forderung nach einer „Obergrenze“ für Flüchtlinge bleibt. Das ist eines der wichtigen Themen der Partei im Bundestagswahlkampf. Auch mit Blick auf die AfD, von der man sich auch in dieser Frage nicht rechts überholen lassen will. Kompromissvorschläge blieben chancenlos. Seehofer drohte gar mit dem Gang in die Opposition, sollte die CDU nicht einlenken.
Einig mit der CDU ist man sich dagegen unter anderem in der Forderung nach einer verbindlichen Leitkultur. Die CDU hatte das auf ihrem Parteitag ja auch beschlossen. Der Doppelpass soll abgeschafft werden. Außerdem forderten die Abgeordneten mehr Videoüberwachung und härtere Strafen für Einbrecher. Das Jahr 2017 solle im „Zeichen der Rückführungen“ stehen.
„Mehr innere Sicherheit“ wollen jedoch auch die anderen Partner in der Großen Koalition – und mehr Repression statt Prävention. So der Bundesinnenminister. Vizekanzler Gabriel legte mit seinem Positionspapier „Zeit für mehr Sicherheit in Zeiten wachsender Unsicherheit“ in der vergangenen Woche gleichfalls entsprechende Vorschläge vor bzw. signalisierte Einverständnis mit Gesetzesverschärfungen.
Nach Gabriel erklärte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vor einem Gespräch mit dem Bundesinnenminister de Maizière (CDU), auch er setze sich für ein härteres Vorgehen ein. Nachdem er sich bereits mit einer umfassenderen Abschiebehaft für so genannte Gefährder einverstanden erklärt hatte, zeigte er sich nun auch offen für den Einsatz von Fußfesseln.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte am Montag gar, dass die Bundesregierung Sanktionen gegen Staaten erwägen solle, die ihre als Asylbewerber abgelehnten Staatsbürger nicht zurücknehmen. De Maizière solle Druck auf sie ausüben, so Oppermann gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Dabei dürfen auch wirtschaftliche Sanktionen nicht ausgeschlossen werden.“ Ein wirklich „vorbildlicher“ Vorschlag für den Umgang mit souveränen Staaten. De Maizière reagierte prompt: Mithelfen müssten da das Wirtschaftsministerium unter Sigmar Gabriel, das Außenamt unter Frank-Walter Steinmeier und das Entwicklungsministerium unter Gerd Müller (CSU).