Die DKP ist das soziale Gewissen der Stadt – Sachzwangpolitik machen wir Kommunisten nicht mit

Michael Gerber verlässt den Bottroper Stadtrat

Nach 26 Jahren hat Michael Gerber, Ratsherr der DKP in der Stadt Bottrop, am 30. Juni 2021 sein Mandat an den DKP-Kreisvorsitzenden Jörg Wingold weitergegeben. Wir sprachen mit ihm über seine Erfahrungen als kommunistischer Abgeordneter im Bottroper Kommunalparlament.

UZ: Dieses Gespräch ist überlagert von dem undemokratischen Angriff auf den Parteistatus der DKP. Wie bewertest du dieses Vorgehen des Bundeswahlausschusses?

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Michael Gerber ist 71 Jahre alt, von Beruf Wartungselektroniker, ehemaliger Betriebsrat im Siemens-Konzern.

Michael Gerber: Die Beteiligung von Kommunisten an Wahlen ist eine Form unseres Klassenkampfs. Wenn es Teilen der Bourgeoisie opportun erscheint, der DKP den Parteistatus zu entziehen und Kommunisten damit von Wahlen auszuschließen, wird jede Möglichkeit dazu genutzt. Dieser Angriff reiht sich ein in den Abbau demokratischer Rechte, den wir aktuell in den verschiedensten Bereichen erleben.

UZ: Wenn du auf deine Tätigkeit im Bottroper Rat zurückblickst: Ist unser Land ein Hort der Demokratie?

Michael Gerber: Nein. Demokratie bedeutet im Griechischen „Herrschaft des Volkes“. Davon sind wir aber meilenweit entfernt. In den Zentralen der Konzerne und Banken ist die wirtschaftliche und politische Macht in unserem Land konzentriert. Dies wird von den staatstragenden Parteien nicht infrage gestellt. Dies erleben wir ständig, auch auf kommunaler Ebene.
Indem den Kommunen die notwendigen finanziellen Grundlagen für ihre Tätigkeit von Bund und Land entzogen werden, verlieren die Städte und Gemeinden ihre Handlungsfreiheit und die kommunale Selbstständigkeit. Damit wird der kommunalen Demokratie letzten Endes der Boden entzogen. Statt die Interessen der Menschen in den Mittelpunkt kommunaler Entscheidungen zu stellen, wird in den bürgerlichen Parteien nach sogenannten Sachzwängen entschieden. Kommunisten in den Parlamenten machen da nicht mit.

UZ: Aber nun zu dir. Warum hast du nach 26 Jahren Ratstätigkeit den Stab weitergegeben?

Michael Gerber: Nach so vielen Jahren als Vorsitzender der Fraktion beziehungsweise Sprecher der Ratsgruppe in einer kleinen Großstadt – mit Bezirksvertretung, vielen Ausschüssen und Verwaltungsräten – habe ich mich an meiner gesundheitlichen Belastungsgrenze gesehen. Unser Schwerpunkt war in all diesen Jahren die außerparlamentarische Arbeit – die Initiierung und Mitarbeit in Bürgerinitiativen, regelmäßige Aktionen wie „DKP vor Ort“ und andere Bürgerinformationen.

Das Telefon bei mir stand nie still, ich war stets Ansprechpartner für alle Bürgerinnen und Bürger – das hat sehr viel Kraft gekostet. Ich habe aber in all diesen Jahren immer auch großen Wert auf unser Familienleben gelegt. Im Alter möchte ich jetzt den Enkelkindern mehr Zeit widmen. Als stellvertretender Kreisvorsitzender der DKP in Bottrop bleibe ich politisch aktiv und bringe meine Erfahrungen weiterhin ein.

UZ: Wie wirkt sich die Präsenz der DKP im Rat der Stadt Bottrop für die Bürger aus?

Michael Gerber: Die DKP ist das soziale Gewissen der Stadt. Mit unserer Tätigkeit sind viele Erfolge verbunden, so zum Beispiel die Einführung des Bottrop-Passes, der Sozialpass der Stadt, das Frauenhaus, ein neues Gesundheitsamt in den 70er-Jahren, der Spielbus der Stadt und die Erhaltung von Zechensiedlungen mit den großen Mietergärten. Als besonders großer Erfolg kommt hinzu der erfolgreiche Bürgerentscheid für die Erhaltung des Stenkhoffbades, das aus finanziellen Überlegungen im Rahmen eines Spardiktats geschlossen werden sollte.

UZ: Du hast dich über Jahrzehnte einer kommunistischen Kommunalpolitik gewidmet. Was macht die aus und warum ist sie für die DKP notwendig?

Michael Gerber: Entscheidend ist unser glaubwürdiges Auftreten und konsequentes Handeln. Nur so können wir letzten Endes Menschen von unserer Politik, auch den weiterführenden sozialistischen Vorstellungen, überzeugen. Unser Motto in Bottrop war immer: „DKP im Rat – damit man draußen sieht, was drinnen geschieht“. Das heißt aber auch: Wir mussten bereit sein, Dinge an die Öffentlichkeit zu bringen, die unter den Tisch gekehrt werden sollten – und das hat mir auch die Anklage vor bürgerlichen Gerichten eingebracht. Dies war aber auch verbunden mit einer großen Anerkennung bei unseren Wählerinnen und Wählern für unser konsequentes Handeln.

UZ: Die DKP ist nur in wenigen deutschen Kommunalparlamenten vertreten. Andererseits ist kommunistische Kommunalpolitik nicht an eine parlamentarische Vertretung gebunden. Was würdest du DKP-Gruppen als Einstieg in die Kommunalpolitik empfehlen?

Michael Gerber: Wichtig ist, dass wir uns den dringenden sozialen Problemen der Menschen widmen. Der Anlass für kommunalpolitische Tätigkeit kann ganz unterschiedlich sein. Es müssen die Fragen sein, die die Menschen vor Ort bewegen.
Dafür müssen wir ein Gespür entwickeln und uns dann gemeinsam mit den Menschen engagieren. Wir dürfen nicht den Fehler von Stellvertreterpolitik machen, sondern das Ziel muss immer sein, Menschen selber in Aktion zu bringen, um ihnen damit die Erkenntnis zu vermitteln: Man kann in unserem Land und in unseren Städten etwas verändern – nur muss man dazu selber aktiv werden.

Das Gespräch führte Werner Sarbok

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"Michael Gerber verlässt den Bottroper Stadtrat", UZ vom 30. Juli 2021



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