Metaller zum Abschluss

Kein Jubel, aber breite Zustimmung

Rein ökonomisch-materiell betrachtet ist der Pilotabschluss in der Metalltarifrunde kein Grund zum Jubeln. Mit einer Erhöhung unter der Inflationsrate ist die weitere Senkung der Realeinkommen nicht abgewehrt, sondern nur abgemildert – von einer Umverteilung „von oben nach unten“ gar nicht zu reden.

Trotzdem stößt der Abschluss unter den betrieblich Aktiven auf breite Zustimmung, bei starker Kritik an einzelnen Punkten. In einer gemeinsamen Sitzung der Tarifkommissionen aller drei Tarifgebiete im Bezirk Niedersachsen/Sachsen-Anhalt gab es zur Übernahme des Abschlusses nur eine Gegenstimme und eine Enthaltung. ähnlich bei einer Vollversammlung der Vertrauensleute von Volkswagen Osnabrück direkt nach dem Abschluss.

Tarifkämpfe sind keine Wunschkonzerte und keine Volkswirtschaftsseminare, sondern Episoden im „unaufhörliche(n) Ringen zwischen Kapital und Arbeit“. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Löhnen und Profiten löst sich auf in „die Frage nach dem Kräfteverhältnis der Kämpfenden“ (Marx, Lohn, Preis und Profit). In diesem Ringen ist jeder Tarifvertrag ein „Waffenstillstandsvertrag“ (Das rote Gewerkschaftsbuch) und nach dem jeweiligen Kräfteverhältnis zu beurteilen.

Eine für viele überraschende Inflation, für die die Medienpropaganda „Putins Angriffskrieg“ verantwortlich macht, Unsicherheiten über die weitere Wirtschaftsentwicklung und die Schwächung der Gewerkschaften in der Corona-Krise – diese Rahmenbedingungen prägten die Forderungsdiskussion in den Betrieben. Die Metallindustriellen provozierten zunächst mit der Verweigerung jeder tabellenwirksamen Erhöhung und mit der Forderung nach „Differenzierung“ aller Tarifbestandteile.

In beiden Punkten konnten die Beschäftigten durch massive Mobilisierung in den Betrieben deutliche Verbesserungen durchsetzen. Darauf sind die betrieblich Aktiven stolz, zu Recht. Bewertungen, die dies nicht berücksichtigen, tragen nicht zur Stärkung der Arbeitenden und ihrer Organisationen bei.

Achim Bigus

Vertrauenskörper-Leiter bei Volkswagen Osnabrück, Mitglied der Tarif- und Verhandlungskommission Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim

Zu früh abgebrochen

Die Blockadehaltung der Metallkapitalisten hat in dieser Tarifrunde die Dynamik und den Schwung gesteigert, die Kolleginnen und Kollegen zu Hunderttausenden auf die Straße getrieben und eine kämpferische Stimmung erzeugt. Damit hat sich das Kapital mit seiner Strategie ins eigene Fleisch geschnitten. Zu früh wurde der Kampf vom IGM-Vorstand abgebrochen, bevor er richtig begonnen hatte, und ein zu schlechter Abschluss vereinbart. Dieser trifft zu Recht bei vielen Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben, unter den Vertrauensleuten und in den sozialen Netzen eher auf Enttäuschung und Ernüchterung. Die Erwartungen vor allem bei den Aktiven, die sehr konsequent für 8 Prozent für zwölf Monate gekämpft haben, waren andere. Die Motivation zu kämpfen war in dieser Tarifrunde enorm hoch, sehr viel höher wie in den vergangenen Jahren.

In vielen Betrieben liefen die Vorbereitungen für Ganztagesstreiks und Urabstimmung, auf den Kundgebungen wurden die Belegschaften „heiß gemacht“ – dann kam die eiskalte Dusche, der Aus-Schalter wurde gedrückt. Was hat den IG-Metall-Vorstand bewogen, trotz dieser guten Beteiligung und der kämpferischen Stimmung den Kampf abzubrechen? Hier hat sich der Geist der Konzertierten Aktion durchgesetzt, mit der steuer- und abgabenfreien Sonderzahlung Streiks abzuwürgen. Der neue „Burgfrieden“ soll nicht durch Streiks und angemessene Lohnerhöhungen gefährdet werden. Die Wettbewerbsfähigkeit der Metall- und Elektroindustrie soll erhalten werden, ist sie doch schon genug durch die hohen Energiepreise belastet. Dann bitteschön nicht auch noch durch Streik und hohe Lohnkosten.

Die immer noch relativ guten Löhne in dieser Branche sind den Kapitalisten schon lange ein Dorn im Auge. Wenn im Juni 2023 die erste Erhöhung des Abschlusses in Kraft tritt, haben die Kollegen über fünf Jahre keine tabellenwirksame Erhöhung erhalten. Bis dahin werden die Reallöhne um über 10 Prozent niedriger sein. Dies wird die Profite und die Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt erhöhen. Mit Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten hat diese Gewerkschaftspolitik nichts mehr zu tun. Es braucht dringend einen Kurswechsel.

Christa Hourani

Noch nicht beendet

Die IG Metall war in der jüngsten Tarifauseinandersetzung mit dem klaren Ziel angetreten, die Lohntabellen für die Beschäftigten signifikant zu erhöhen. Dabei hatte wohl niemand die Illusion, mit Tarifpolitik allein die enormen Teuerungsraten ausgleichen zu können. Der erzielte Abschluss sieht nun eine Erhöhung der Entgelte von insgesamt 8,5 Prozent sowie steuerfreie Einmalzahlungen von insgesamt 3.000 Euro vor. Dies ist sicher – auch angesichts der monatelangen Verweigerungshaltung von Gesamtmetall – ein Erfolg der Streikenden und ihrer Gewerkschaft. Auf der anderen Seite musste die IG Metall mit der Laufzeit von 24 Monaten und dem späten Zeitpunkt der ersten tabellenwirksamen Auszahlungen im Juni 2023 dem Unternehmerverband deutliche Zugeständnisse machen.

Mit der Unterschrift unter diesen Abschluss ist die Tarifauseinandersetzung jedoch noch lange nicht beendet. Jetzt steht die Durchsetzung des Ergebnisses im „Häuserkampf“ in einer „zweiten Tarifrunde“ auf der Tagesordnung. Was in Betrieben mit hohen Organisationsgraden und streikerprobten Belegschaften wahrscheinlich relativ einfach durchzusetzen ist, kann sich in Betrieben mit anderen Kampfbedingungen als deutlich schwieriger erweisen. Und die Vergangenheit hat gezeigt, dass nicht alle Bosse bereit sind, ausgehandelte Ergebnisse auch in ihren Unternehmen zu akzeptieren. Hier könnte die sogenannte „Energienotfallklausel“ im jüngsten Abschluss den Unternehmern in die Hände spielen. Diese sieht Gespräche über „Anpassungen zwischen den Tarifparteien“ vor, sollte die Bundesregierung die Notfallstufe bei der Gasversorgung ausrufen oder einzelne Betriebe beim Unternehmerverband „Abweichungen von den Flächentarifverträgen (…) aufgrund von Produktionseinschränkungen infolge von Energieengpässen“ beantragen. Daher wird der Kampf im Betrieb und auf der Straße gegen die Abwälzung der Lasten von Krieg und Krise auf die arbeitenden Menschen – auch nach dem erzielten Tarifabschluss – weiter auf der Tagesordnung der IG Metall stehen müssen.

Ulf Immelt

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"Metaller zum Abschluss", UZ vom 2. Dezember 2022



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