Mit zwei Drittel der gültigen Stimmen hat Emmanuel Macron scheinbar deutlich das Präsidentenamt in Frankreich errungen. Aber jeder weiß, dass bei dieser Wahl die Mehrheit den Kandidaten nur aus der Not heraus gewählt hat, um das größere Übel, den Front National an der Spitze des Staates zu vermeiden. So wurde rechts gewählt, um nicht von ganz rechts außen beherrscht zu werden.
Der Präsident Macron ist generalstabsmäßig von der Großbourgeoisie mit Unterstützung der rechten Sozialdemokratie aufgebaut worden. Der Wahlsieg des „Weiter so“ war der Ertrag. François Hollande hatte den Investmentbanker ins Wirtschaftsministerium geholt, um das blöde resistente französische Volk von den Segnungen von mehr Arbeit und weniger sicheren Arbeitsplätzen bei weniger Lohn zu überzeugen. Die entsprechenden Gesetze hat er geholfen durchzuziehen – gegen alle Proteste. Damit und mit Krieg auf der anderen Seite des Mittelmeers, sowie mit dem Ausnahmezustand gelang es Hollande zum unbeliebtesten Präsidenten der V. Republik zu werden. Angesichts dessen war er auch der erste, der sich gar nicht erst zur Wiederwahl stellte. Der Widerstand gegen die rechte Politik an der Spitze des Staates hat immerhin ausgereicht, zum ersten Mal seit langem eine linke, soziale und demokratische Alternative bis beinahe in die zweite Runde der Präsidentenwahl zu tragen. Bemerkenswert ist auch, dass der relative Wahlerfolg von fast 20 Prozent der Stimmen ohne oder besser gegen die „Sozialistische Partei“ erreicht wurde.
Der Jubel über Macrons Wahlsieg war in Deutschland besonders groß. Regierung und etablierte Medien priesen den neuen Präsidenten: Nun sei die EU vor dem Untergang gerettet. Nur die bescheiden-realistische Kanzlerin wies darauf hin, dass der neue Präsident sich erst sammeln müsse und dann seine Wünsche vortragen könne. Dies ist der Stil der Mächtigen. Tatsächlich sind die Interessen der deutschen und der französischen herrschenden Klassen ähnlich, aber nicht deckungsgleich. Überall gilt in französischen Unternehmen, Verbänden und Staatsinstitutionen die Parole „So effizient wie Deutschland werden“. Mit effizient sind die von der Agenda 2010 flexibel und billig getrimmten Arbeitskräfte in Deutschland gemeint. Dazu gibt es scheinbar keine Alternative – oder eben nur die von Frau Le Pen. So effizient wie Deutschland sein heißt eigentlich nicht, sich innerhalb EU-Europas der Führung Berlins zu unterwerfen. Das aber war die Praxis. Hollande trat vor fünf Jahren mit dem Anspruch an, der deutschen brutalen Austeritätspolitik etwas entgegenzusetzen.
Daraus wurde rein gar nichts. Es gab kein Bündnis der Südländer, es gab keine gemeinsame Wirtschaftspolitik auf EU-Ebene, keine Eurobonds und es gab kein nennenswertes öffentliches Investitionsprogramm. Warum nicht? Weil Wolfgang Schäuble und seine Auftraggeber in deutschen Konzernen es nicht wünschen. Der neue Präsident Macron formuliert heute ganz ähnliche Ziele wie Hollande vor fünf Jahren. Er wird ebenso scheitern. Aber das Publikum wundert sich nicht mehr wie noch ein wenig unter Hollande und noch gehörig unter Sarkozy. Die EU bleibt deutsch dominiert. Der Sieg Macrons ist ein Zeichen dafür, dass die herrschende Klasse Frankreichs sich damit abfindet. Sie paktiert lieber mit dem starken Deutschland als mit Italien, Spanien oder gar Griechenland.