Merkels Flüchtlingspolitik

Lucas Zeise zum EU-Gipfel in Malta

Es erübrigt sich, der EU und Deutschland Heuchelei vorzuwerfen. Das tut nämlich bereits die Bild-Zeitung. Es ist klassisches Pharisäertum, wenn hiesige Politiker und Medien in üblicher Eintracht den rüden Umgang des neuen US-Präsidenten mit Flüchtlingen, Ausländern, Moslems und Menschenrechten tadeln, während gleichzeitig eine Konferenz der EU-Regierungschefs auf Malta Pläne schmiedet, wie Afrikanern am effizientesten das Asylrecht genommen werden kann.

Wichtigste und eifrigste Akteurin in dieser Sache war in der vergangenen Woche wie oft Angela Merkel. Am 2. Oktober reiste sie zum türkischen Präsidenten Recep Erdogan nach Ankara. Die Türkei hält im Südosten der EU die Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak zurück, kassiert dafür einige Milliarden Euro und erwartet außerdem dafür, dass ihre Bürger bald ohne Visum in die EU einreisen dürfen. Über diesen letzten Punkt wird noch gefeilscht. Von Ankara reiste Merkel in den Kleinstaat Malta, dessen Regierung derzeit die EU-Präsidentschaft innehat und das, auf halber Strecke zwischen Sizilien und Libyen liegend, ein besonderes Interesse an der „Lösung“ der Flüchtlingsfrage hat.

Frau Merkel zeigte sich entschlossen, die zentrale Mittelmeerroute für afrikanische Flüchtlinge zu schließen. Dabei „müssen wir genauso vorgehen, wie wir es in der Türkei gemacht haben“, befand sie. Der schon mehrere Jahre alte Plan, „Flüchtlingszentren“ in Libyen zu installieren wurde anlässlich des Malta-Gipfels wieder aufgewärmt und von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zu Hause zur populären Forderung gemacht. Merkel und Oppermann befinden sich in dieser Sache voll auf der Linie des Trump- und CSU-Freundes Viktor Orbán aus Ungarn.

Merkels nächster Stopp war München. Merkel und CSU-Chef Seehofer beharrten dort auf den politischen Differenzen im Umgang mit Flüchtlingen, obwohl deren brutale Behandlung zwischen ihnen Konsens ist. Die Arbeitsteilung im Hinblick auf die Bundestagswahl sieht so aus: Merkel handelt und Seehofer fordert noch mehr Brutalität.

Es wird noch ein Weilchen dauern, bis die „Mittelroute“ ganz geschlossen wird. Juristisch haben die EU-Fachleute noch nicht geklärt, wie das Zurückweisen von Flüchtlingen auf offener See irgendwie mit dem derzeitigen EU-Recht in Einklang gebracht werden kann. Das größere Problem ist die Realität in Libyen. Es gibt dort keine Regierung, mit der ein Deal wie mit Erdogan abgeschlossen werden kann. Manchmal klingt es fast wie Bedauern, dass die EU-Länder Frankreich und Britannien 2011 die Initiative zum Krieg gegen Libyen ergriffen, die Regierung weggebombt und den Präsidenten des Landes Muammar al-Ghaddafi haben ermorden lassen. So werden vermutlich bald Besatzungs- und Polizeikräfte aus EU-Ländern nach Libyen ziehen müssen, um die Flüchtlingslager und das Regime dort zu stabilisieren.

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"Merkels Flüchtlingspolitik", UZ vom 10. Februar 2017



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