Mit ihrem Parteitag am Wochenende haben die Grünen klar gemacht, dass sie nach der Bundestagswahl im nächsten Jahr die Regierung mitgestalten wollen. Mit ihrem neuen Grundsatzprogramm haben sie inhaltliche Voraussetzungen für eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene geschaffen. Der Parteiführung ist es gelungen, innerparteiliche Kritiker zu kontrollieren oder einzubinden.
Von Freitag bis Sonntag vergangener Woche tagten die Grünen-Delegierten und beschlossen das neue Grundsatzprogramm der Partei. Schon der Titel deutet auf eine schwarz-grüne Verbindung von konservativen und (scheinbar) progressiv-liberalen Inhalten: „zu achten zu schützen. Veränderung schafft Halt“. Es ist das vierte Grundsatzprogramm der Partei seit ihrer Gründung 1980. Als erste Partei führten die Grünen ihren Bundesparteitag digital durch.
Die Grünen ließen keinen Zweifel daran, dass sie in der nächsten Bundesregierung eine wichtige Rolle spielen wollen. „Macht“ sei bei den Grünen „oft ein Igitt-Begriff gewesen, aber Macht kommt ja von ‚machen‘“, ließ der Parteivorsitzende Robert Habeck sich zitieren. In den Umfragen liegen die Grünen zur Zeit mit 20 Prozentpunkten an zweiter Stelle – hinter der Union (36), vor der SPD (15). Eine rot-rot-grüne Mehrheit im nächsten Bundestag erscheint damit weniger wahrscheinlich als eine neue Form der großen Koalition zwischen Union und Grünen.
Dabei stellen sich die Grünen darauf ein, einen Teil derjenigen Wähler zu gewinnen, die die Union wegen Merkel gewählt hatten. Habeck erklärte seine Hoffnung vor dem Parteitag im Interview: Die Zustimmung zur Union sei Unterstützung für Merkel, der kommende Spitzenkandidat der Union könne nicht mit der gleichen Zustimmung rechnen. „Mir fällt da eine Geschichte von Jim Knopf ein: Die Union ist ein Scheinriese wie Herr Tur Tur. Je näher man rangeht, desto kleiner wird sie.“
Der Parteiführung gelang es weitgehend, sich auf dem Parteitag durchzusetzen. So gewann sie die Abstimmungen darum, eine „sozial-ökologische Marktwirtschaft“ als Leitbild der Partei zu beschließen und die Forderung nach bundesweiten Volksentscheiden abzulehnen.
In Baden-Württemberg macht der Partei Probleme, dass zu den Landtagswahlen im nächsten Jahr auch eine „Klimaliste“ antreten will, die die Wiederwahl des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann erschweren könnte. Als Zugeständnis an Klimaschützer änderte der Parteitag den Entwurf des Vorstands für das Programm: Dort war die Rede davon, dass die Grünen eine Begrenzung der Erderwärmung auf „deutlich unter zwei Grad, möglichst auf 1,5 Grad“ fordern. Der Beschluss setzt die Begrenzung auf 1,5 Grad als festes Ziel der Partei. Ebenfalls am Wochenende verletzten Polizisten erneut Aktivisten, die die Rodung des Dannenröder Forsts verhindern wollen. Die Räumung wird von der schwarz-grünen hessischen Landesregierung betrieben und von Klimaaktivisten bekämpft.
Als besonders linker und radikaler Teil der Partei gilt den Mainstream-Medien die Grüne Jugend. Deren Sprecherin Anna Peters machte im Interview deutlich, wie harmlos ihre Kritik am Machtwillen der Parteiführung ist. Der Parteivorstand hatte in den Programmentwurf geschrieben, dass die „Schaffenskraft der Märkte“ unverzichtbar sei, um die ökologische Krise zu bewältigen. Peters betonte, dass sie damit zwar einverstanden sei, man sich aber weitere Gedanken machen solle, dass diese Schaffenskraft auch negative Seiten habe.