SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ist ganz ruhig ob des Persilscheins, den immerhin er höchstselbst den Abgeordneten seiner Fraktion ausgestellt hat: „Das kann ich ausschließen für die SPD-Fraktion.“ Und zwar, dass irgendein SPD-MdB sich an der Pandemie bereichert haben könnte. Spontan ist man geneigt, den jungen Mann für naiv oder dreist zu halten.
Das Wissen darum, wie Korruption funktioniert, lässt den Komplex Corona als Teil des Gesundheitssektors, der mit solchen Herausforderungen wie Pflegeeinstufungen durch Amtsärzte, OP-Terminvergaben, Medikamentenzulassungen, Transplantationswartelisten oder dem Graubereich zwischen pharmazeutischer Industrie und Krankenkassen ohnehin schon prädestiniert für Zuwendungen aller Art und Größe ist, als riesige Spielwiese für Anleger und Abnehmer erscheinen. Im Kleinen kämpfen verzweifelte Patienten bei Ärzten um Vorteile, im Großen winken Millionendeals, wenn ein Pharmaunternehmen es schafft, sich zuerst am Markt zu platzieren.
Im Gegensatz zur Börse, dem legalen Wettbüro des Kapitalismus, können die Anleger in diesem geschäftlichen Dunkelbereich allerdings nicht einfach in ein fremdes Produkt investieren, sondern sie stecken ihr Geld in Menschen, die ihnen bei der Vermarktung ihrer eigenen Produkte behilflich sein sollen. Wo wäre das aber besser zu bewerkstelligen als da, wo Gesetze beschlossen und relevante Entscheidungen getroffen werden? Genau: Im Bundestag.
Besonders gefragt sind dann natürlich Mitglieder der Regierungsparteien. An dieser Stelle erlauben sich die Fragen nach Naivität oder Dreistigkeit des Lars Klingbeil, denn immerhin gehört die SPD der Regierung an. Es ist maximal unwahrscheinlich, dass nicht irgendein sozialdemokratischer Parlamentarier den finanziellen Reizen der Pandemieindustrie erlegen wäre.
Bleiben in Sachen Unbestechlichkeit der Genossinnen und Genossen also zwei Möglichkeiten:
Wenn dem nicht so ist, kennt der Generalsekretär seine Partei schlecht. Im besten Fall – denn im schlechteren wäre er selbst Teil der Affäre.
Wenn dem aber so ist, dann wäre wieder einmal ein Zug abgefahren, ohne dass die SPD den Pfiff gehört hätte. Es herrscht Kapitalismus, und die Korruption ist ihm wesenseigen. Sollten die Sozialdemokraten neben allem anderen auch das noch vergessen haben? Berufsverbote, Pershing 2, Jugoslawienkrieg, Hartz-Gesetze – geschenkt. Aber jetzt auch noch nicht korrupt? Nichts ist, wie es war.