Botschafter sind Visitenkarten ihres Landes und Sprachrohr der nationalen Interessen. So gesehen war der scheidende ukrainische Botschafter Andrij Melnyk tatsächlich der ideale Vertreter der Ukraine, wie man sie sich im schlechtesten Sinne vorstellt.
Seine pöbelnden Auftritte gegenüber Menschen, vom Bundespräsidenten angefangen bis hin zu Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft, die sich der Logik von Kriegstreiberei und Waffenexporten verweigerten, sind legendär. Damit eignete er sich vortrefflich für das Krawallformat deutscher Fernseh-Talkrunden von Anne Will bis Plasberg. Denn bei ihnen geht es nicht um den reflektierten Austausch unterschiedlicher Positionen, sondern um plakative Konfrontation. In dem Sinne entsprach Melnyk dem ukrainischen Staatspräsidenten, der seine Karriere als Fernsehkomiker begonnen hat und nun – so der Eindruck – nur das Genre gewechselt hat.
Es grenzte an politischen Masochismus, zu erleben, wie eben jene angepöbelten Politiker Melnyk mit Ovationen begrüßten, als er im Bundestag überwachte, wie das Parlament jegliche Hemmungen fallen ließ bei den Beschlüssen zum Export schwerer Waffen in Kriegsregionen. Dass jemand, der eine solche Unterwürfigkeit erlebt, zunehmend unverschämtere Forderungen stellt, kann man nicht ihm ankreiden, sondern vielmehr den deutschen Politikern.
Was ihm aber vorzuhalten ist, ist sein offener Geschichtsrevisionismus und die Verherrlichung des ukrainischen NS-Kollaborateurs Stepan Bandera. Unmittelbar nach dem Amtsantritt als Botschafter in Deutschland legte er am 27. April 2015 am Grab Banderas in München Blumen nieder. Danach twitterte er, Bandera sei „unser Held“. Das war kein „einmaliger Ausrutscher“, sondern seine durchgängige Haltung, die er gegen alle Einwände von renommierten Historikern, die immer wieder auf die Kriegsverbrechen Banderas verwiesen, verteidigte. Ende Juni 2022 toppte Melnyk diese Geschichtsleugnung, als er behauptete, es gebe keinerlei Beweise für den Massenmord an Juden und Polen durch Anhänger Banderas. Angeblich sei Bandera gezielt von der Sowjetunion dämonisiert worden und deutsche, polnische und israelische Historiker hätten daran mitgewirkt. Dass war nun selbst dem israelischen Botschafter zu viel, der – diplomatisch ungewöhnlich – öffentlich dagegen Stellung bezog.
Damit geriet die deutsche Außenpolitik in einen unlösbaren Widerspruch zwischen Staatsräson gegenüber Israel und Kriegstreue zur Ukraine. Dass das ukrainische Außenministerium sich offiziell von Melnyks Äußerungen distanzierte und dessen Abberufung als Botschafter kolportiert wurde, zeigt, wie man das Problem zu lösen gedenkt. Nichts soll die militärische Unterstützung der BRD für die Ukraine stören.