Vom 22. bis 28. August

Meine progressive Woche

Von Adi Reiher

Sonntag

Knapp 24 Mio. Nordkoreaner leben auf der Halbinsel, 50 Mio. Südkoreaner im anderen Teil des Landes. Die Regierung in Pjöngjang gibt etwa fünf Mrd. US-Dollar für das Militär aus, was ein Viertel bis ein Drittel des Gesamthaushaltes ausmacht.

Die Seouler Machthaber haben 2014 36,7 Mrd. US-Dollar für ihre Streitkräfte ausgegeben, mehr als Italien und Brasilien, 10 Mrd. Dollar weniger als Japan und die Bundesrepublik. Südkoreas Bruttoinlandsprodukt liegt deutlich über einer Billion US-Dollar.

Das Verhältnis der Militärausgaben der beiden Koreas ist traditionell so. Man fragt sich da schon, wieso es in unserer Presse immer heißt, dass das nordkoreanische Kampfhörnchen den südkoreanischen Schmusebär bedroht. Aber von Weihnachten bis Ostern ist es ja auch kürzer als von Ostern bis Weihnachten.

Dienstag

Nicht zum ersten Mal hören wir dieser Tage, dass es einen enormen Einnahmeüberschuss bei den Steuern gibt. 21,1 Mrd. Euro mehr als geschätzt wurden im ersten Halbjahr 2015 eingenommen. „Die deutsche Wirtschaft brummt“, schreiben sie ehrfürchtig. Die zusätzlichen Einnahmen sind aber (fast) ausschließlich Lohnsteuern, die man der arbeitenden Bevölkerung abzieht. Wobei auch der sogenannte Arbeitgeberanteil vom Lohnarbeiter erwirtschaftet werden muss.

Diese riesigen Summen, die über die Jahre an den Staat fließen, sind am Ende des Jahres immer irgendwie verschwunden, wenn Schäuble seinen ausgeglichenen Haushalt mit der schwarzen Null vorlegt. So werden Ansprüche von vornherein abgeschmettert. Mehr Geld für die Infrastruktur in den Kommunen? Kein Geld da. Keine Beitragserhöhungen bei den Krankenkassen? Kein Geld da. Rentenerhöhungen? Kein Geld da. Und so weiter und so fort … Dabei war das Geld da, es ist sogar immer noch da: als Subvention bei den Konzernen, als Milliarden-Hilfe für die Banken, als (verdeckte) Aufstockung der Rüstungsausgaben. Und so weiter und so fort …

Mittwoch

US-Milliardär Donald Trump fällt im Präsidentschaftsrennen in den USA weiter als Rüpel auf. Kritische Fragen können schon mal so beantwortet werden, dass die Leibwächter den Journalisten packen und aus der Pressekonferenz zerren.

Worum es ging? Jorge Ramos kritisierte die Pläne von Trump, Einwanderung vor allem für Hispanics praktisch zu verhindern. Schließlich bekam er doch noch eine Antwort auf seine Frage, wie er, Trump, eine 1 900 Meilen lange Mauer zwischen Nord- und Südamerika bauen wolle? Trump: „Ganz einfach, ich bin Baumeister.“ Dabei bleibt es hoffentlich.

Donnerstag

Gestern wurden 50 erstickte Flüchtlinge auf einem Boot im Mittelmeer entdeckt, heute über 50 erstickte Flüchtlinge in einem abgestellten Transporter auf einer Autobahn in Österreich. Solche Todesmeldungen erreichen uns seit Monaten, ja seit Jahren.

Angela Merkel versichert zur gleichen Zeit in Heidenau: „Deutschland hilft, wo Hilfe geboten ist.“ Sie fügt hinzu: „Das muss natürlich in der Praxis umgesetzt werden.“ Für Tausende, Frau Bundeskanzlerin, macht ihr Zusatz den Unterschied – zwischen Leben und Tod.

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"Meine progressive Woche", UZ vom 4. September 2015



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