Heute abend gerate ich in die Hände eines Voodoo-Zauberers. Nach einer anstrengenden Tour durch die kubanische Provinz Sancti Spiritus sitzen wir an der Bar unseres schon in die Jahre gekommenen Hotels am karibischen Meer. Das Publikum hier ist europäisch, reist eher individuell und meidet den Massentourismus von Varadero oder der Cayos.
Die Bar füllt sich, nicht weit von uns baut ein kräftiger Schwarzer mit nacktem Oberkörper so etwas wie einen kleinen Altar auf – Holzfigur mit brennender Zigarre im Mund, eine leere Rumflasche, einen Wedel aus Kräutern, eine mysteriöse eingeschlagene Decke, weitere Kleinigkeiten. Die Musik hört auf, das Licht verlöscht. Bevor der Magier vor das Publikum tritt, streift mich kurz sein Blick. Er gibt mir die Hand, ich ahne, was das bedeutet.
Seine Show beginnt mit Feuerspielereien, die beim Zugucken weh tun. Hier und bei weiteren Tricks bezieht er Männer aus dem Publikum auf unterschiedliche Weise mit ein. Alle werden mit dem Kräuterwedel befächert – natürlich auch zwischen den Beinen, was nicht nur die Damen im Publikum besonders amüsiert.
Irgendwann wird die Decke aufgeschlagen, die voller Glasscherben ist. Durch die marschiert unser Magier mit sichtlichem Vergnügen. Das Knirschen und Knacken des zerbrechenden Glases dröhnt ziemlich in den Ohren. Bevor ich mir weiter darüber Gedanken machen kann, stehe ich plötzlich neben dem Meister und erfahre zunächst die heilende Behandlung des Kräuterwedels. „Only tonight“ flüstert der Mann mir zu, als er zwischen meinen Beinen angekommen ist.
Dann legt er sich mir zu Füßen, mit dem Rücken auf die Glasscherben, versteht sich. Eine unmissverständliche Handbewegung fordert mich auf, den einen Fuß auf seine Brust, den anderen auf seinen Bauch zu stellen. Meine Weigerung wird nicht akzeptiert. Also denn; den folgenden Applaus verbuche ich – ein bisschen – auch für mein Balancegefühl.
Als ich absteige, stellt der Magier sich tot und ein freundlicher Kubaner zischt mir ins Ohr „You killed him“. Mit Resten von Souveränität beuge ich mich nieder, tätschle die Wange des „Toten“, der alsbald die Augen aufschlägt und sich von mir aufhelfen lässt. Den Schluss-Applaus überlasse ich ihm und verziehe mich schleunigst wieder an die Bar. Und verfolge den Rest der Voodoo-Show.
Vor ein paar Tagen haben wir ein begeisterndes Konzert des Buena Vista Social Club gesehen – zehn Sänger plus zwölf Instrumentalisten und ein Tanzpaar. Die Freiluft-Show riss das Publikum förmlich von den Stühlen, am Ende waren Bühne und Auditorium eins.
Aber was die vier Schwarzen (darunter Sohn, Vater und Großvater) heute abend nach dem Voodoo-Auftritt mit einer (!) Gitarre, Bongos, Claves und einem Guiro abziehen, toppt den Social Club. Vor allem „Opa“ nimmt sich das weibliche Publikum vor und zieht eine Dame nach der anderen auf die Tanzfläche. Ein fetziger Abend.
Beim Frühstück am nächsten Morgen lasse ich mir vom weiss bemützten Koch ein Omelett braten. Noch etwas verschlafen blicke ich in seine zwinkernden Augen – es sind die des Voodoo-Zauberers.