Vom 24. bis 30. Oktober

Meine progressive Woche

Von Adi Reiher

Mittwoch

2007, bei Ausbruch der Bankenkrise, stand die Deutsche Bank als einzige in Deutschland unbeschadet da. Bank-Chef Ackermann wurde zum Überkanzler. Heute liegt die Deutsche Bank in Scherben – wie die anderen auch. Das Bankwesen stand am Abgrund. Das jezige Siechtum weist aus, dass die Banker heute wieder einen Schritt weiter sind. Die neoliberale Umverteilung von unten nach oben stößt an systemische Grenzen. Nur eine Wende zu demokratischer und sozialer Wirtschaftpolitik ist eine Alternative zur Barbarei der Rechtsentwicklung.

Donnerstag

Im Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union heißt es: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören.“ Alle diese Werte wurden und werden von fast allen Regierungen der EU – mal mehr, mal weniger – missachtet. Darüberhinaus führen oder unterstützen sie Kriege, Interventionen und Wirtschaftskriege in aller Welt. Nun driftet die EU auseinander, Nationalismus und Populismus brechen sich Bahn. Ein Rückfall in die Gewalttätigkeiten vergangener Jahrhunderte ist nicht auszuschließen. Bei der Verhinderung dieser Entwicklung steht nicht in erster Linie die Frage, ob diese Union imperialistisch ist oder nicht, sondern ob es der Linken und den Demokraten gelingt, die politische Hegemonie der Werte der französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – zu bewahren und durchzusetzen. Die Zeit drängt.

Freitag

In einem Gnadenakt entlässt US-Präsident 6 000 Gefangene, die minderschwerer Drogendelikte wegen im Knast sind. Aus diesem Anlass ein paar Zahlen und Fakten zum Gefängnis-System der USA: 2,2 Mio. Menschen sitzen hier ein. Das sind 25 Prozent aller Gefangenen weltweit, bei unter fünf Prozent Gesamtanteil der US- an der Weltbevölkerung. Kein anderer Staat kommt auch nur in die Nähe dieser Relation.

Afroamerikaner und Latinos stellen 60 Prozent der Insassen, ihr Bevölkerungsanteil beträgt 30 Prozent. 80 Mrd. US-Dollar kostet das Wegschließen den Steuerzahler. Das Geld geht an Gefängnisse, die privatisiert sind. Eine ganze Gefängnisindustrie profitiert von den einst drastisch ausgeweiteten Möglichkeiten, hohe Gefängnisstrafen schon für Bagatell-Delikte zu verhängen.

Reagan sprach damals von den USA als „Leuchtturm der Hoffnung“ für die ganze Welt. Das Leuchtfeuer, das da im Zwielicht flackert, nährt sich vom Blut der unterdrückten Minderheiten und der Armen.

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"Meine progressive Woche", UZ vom 6. November 2015



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