Samstag
Ich glaub‘, ich bin in Havanna.
Tatsächlich stehe ich vor der Kathedrale Santa Ana in der Altstadt von Las Palmas auf Gran Canaria. Las Palmas hat heute knapp 400 000 Einwohner. Die Stadt wurde 1478 gegründet, hier weilte Columbus, bevor er nach Indien aufbrach und Amerika entdeckte. 1519 wurde Havanna gegründet, das im gleichen „kolonialen“ Stil errichtet wurde wie Las Palmas. Kein Wunder, dass sich die heutigen Altstädte zum Verwechseln ähnlich sehen.
Eine weitere Parallele erfahren wir bei einer Stadtrundfahrt. Auf den Kanaren haben die Spanier mit der gleichen Hinterlist und Brutalität die Ureinwohner ausgerottet wie später in Amerika. Mit einem Unterschied: Drüben leben auch heute noch zahlreiche Indios, auf den Kanaren sind die Guanchen vollständig verschwunden.
Mittwoch
Im Urlaub auf den Kanaren zieht es mich in die britischen Kneipen. Hier trifft sich das Proletariat des Vereinigten Königreiches, das den verlängerten Sommer und die maßvollen Bierpreise genießt (das anglisierte Essen kann es kaum sein).
Abends wird Bingo gespielt oder Quiz jeder Art. Ich schwanke immer öfter, ob ich mittue, aber der Moderator spricht so anders als mein Englischlehrer, dass ich mich scheue. Heute fragt er, wo die vierte Frau von Heinrich VIII. geboren sei. Als Antwort wird verkündet: Kliiif. Das ist falsch. Die Dame hieß zwar Anna von Kleve, wurde aber vor ziemlich genau 500 Jahren in Düsseldorf geboren.
Wenn ich nicht mitrate, kann ich auch nicht intervenieren. Außerdem haben die Briten den Krieg gewonnen und die Ehe soll nie vollzogen worden sein. Also bleib ich ruhig und nuckele weiter an meinem Pint of Lager.
Donnerstag
Da soll doch tatsächlich das „Sommermärchen“ 2006 per Bestechung nach Deutschland geholt worden sein.
Schon vor über 10 Jahren schrieb Siggi Emmerich in dieser Zeitung (UZ 18. 2. 2005): „Besonders die Weltfirmen Bayer und DaimlerChrysler wurden unmittelbar vor der Wahl aktiv. Im Verbund mit der Bundesregierung wurden milliardenschwere Asien-Geschäfte dort angekurbelt, wo Stimmen bzw. Unterstützung für die deutschen Bewerber zu holen waren – in Katar, Saudi-Arabien, Südkorea und Thailand. Diese vier Länder wurden im Hauruckverfahren auf Deutschland als WM-Ausrichter eingeschworen. Wie? Zum Beispiel so. Ende Juni 2000 hatte die Bayer AG den südkoreanischen Kunststoffhersteller Sewon Enterprises erworben, der 40 Prozent des heimischen Marktsegments hielt. Zudem kündigte der Konzern die Eröffnung einer Firma zur Herstellung von Pflanzenschutzmitteln an. Zugleich wurden Thailand Großinvestitionen in Aussicht gestellt: Im Werk Map Ta Phut, hieß es Anfang Juli, solle die Polycarbonat-Produktion verdreifacht werden …“ Usw. usf. Der Verweis auf die Aktivitäten der großen Konzerne und der Politik fehlt in den „Enthüllungen“ des Spiegel, die damit nur an der Oberfläche dessen kratzen, was an Korruption, Gewissenlosigkeit und großem Geld tatsächlich im Spiel war, als die Lichtgestalt Beckenbauer „uns“ die WM schenkte – damals wie heute kaum mehr als eine Marionette, mal zum Vorzeigen, mal zum Wegwerfen.