In der UZ vom 14. September 1973 wird geschildert, wie der Streik bei Ford in Köln gewaltsam beendet wurde. Wir dokumentieren im folgenden Auszüge aus einem Artikel, der das gemeinsame Vorgehen der Werksleitung, der Polizei und der Medien darstellt.
Die Streiks von über 140.000 Arbeitern bei Opel und Ford, bei Rheinstahl und Pierburg und vielen anderen Metallbetrieben unseres Landes um Teuerungszuschläge, um geringere Bandgeschwindigkeit, um mehr Urlaubsgeld und bessere Lohneinstufungen wurden nicht zuletzt durch die aktive Teilnahme zehntausender ausländischer Arbeiter charakterisiert. Zum ersten Mal schalteten sich bei Ford und in anderen Großbetrieben die bis dahin geduckten, gedemütigten, besonders entrechteten und ausgebeuteten ausländischen Arbeiter in die Auseinandersetzungen mit ein. Diese neue Entwicklung nahmen die Meinungsfabriken unseres Landes zum Anlass, um in einer bisher unbekannten Art und Weise die ausländischen Arbeiter zu diffamieren, die latent vorhandenen nationalistischen Vorurteile bei zahlreichen deutschen Arbeitern zu schüren und die ausländischen Streikteilnehmer als Kommunisten, Faulpelze und Schläger abzuqualifizieren. Die Wahrheit sieht anders aus. Der Streik bei Ford war kein „Türkenstreik“, sondern wurde von deutschen und ausländischen Arbeitern gemeinsam begonnen.
Der Streik war von vornherein ein Streik aller Ford-Arbeiter trotz der späteren Spaltungsversuche. Und geschlagen wurde nicht zuerst von den Türken, sondern vom Werkschutz, von den Managern und ihren verführten Helfershelfern und von der Polizei. (…)
Es war am Donnerstagmorgen, dem sechsten Streiktag. Ein großer Teil der deutschen und ausländischen Arbeiter streikte weiter. Der Kompromiss von 280 DM Teuerungszulage und Bezahlung der Streikstunden genügte ihnen nicht. Es ging um die Wiedereinstellung von 300 türkischen Arbeitern, es ging um die Verringerung der Bandgeschwindigkeit, um die Verlängerung des Urlaubs auf sechs Wochen, um eine Mark mehr pro Stunde, um ein volles 13. Monatseinkommen.
Vor Tor III hatte der Personalchef Bergemann an diesen Morgen einige hundert Werkschutzleute, als Arbeiter verkleidete Polizisten, wie der „Stern“ schrieb, sowie mittlere Führungskräfte um sich geschart, dazu ein Transparent entwerfen lassen „Wir wollen arbeiten“, während vor dem Tor Polizisten auf den Einsatzbefehl gegen die Streikenden warteten. An diesem Morgen sollte nach dem Willen der Geschäftsleitung der Streik mit Gewalt beendet werden. Wenn an diesem Tag der Streik nicht niedergeschlagen werden würde, dann hätten auch die Ford-Bänder in Düren, Saarlouis und Genk gestanden. Wegen der fehlenden Zulieferung aus Köln. „Meine Herren, jetzt müssen wir kämpfen“, feuerte Bergemann seine Männer an, und gezielt stürzten sich die angeblich arbeitswilligen deutschen Fordarbeiter auf die demonstrierenden Streikenden und schlugen viele brutal zusammen. Als sich ausländische und deutsche Arbeiter zu wehren begannen, griff programmgemäß die Polizei ein und prügelte und verhaftete „Rädelsführer“. Mit Gewalt brachten die Polizeigreiftrupps festgenommene Fordarbeiter zu Polizeiwagen und transportierten sie ab. Augenzeugen berichteten, dass bereits Festgenommene von leitenden Angestellten ins Gesicht geschlagen wurden. 26 Arbeiter wurden verletzt. In den Werkshallen wurden Streikende gejagt und aus dem Werk geprügelt. Sie hatten während des fünftägigen Streiks für Disziplin gesorgt. Ein italienischer Arbeiter dazu: „Die haben unter den Streikenden gehaust wie die Vandalen.“
Beschämend für den Betriebsratsvorsitzenden Ernst Lück, dass sich die Direktion bei ihm für seinen persönlichen Einsatz gegen die Streikenden herzlich bedankte. Sein Verhalten trug wesentlich dazu bei, dass das Ansehen des Betriebsrates schwer litt, so besuchte Lück am ersten Streiktag Jubilare und abends eine Catcher-Veranstaltung und ignorierte die Forderungen der Streikenden. Er hatte keine Konzeption. Die Werkleitung hatte dagegen den Streik als rechtswidrig erklärt, jeden Streikenden mit fristloser Entlassung bedroht, die Ausländer zudem noch mit Ausweisung sowie Schadenersatzforderungen angemeldet. Jeder Streikende wurde als Kommunist und Terrorist diffamiert. So wurde in einer „Information für Mitarbeiter“ erklärt, „eine kleine Gruppe einer radikalen Minderheit hat es verstanden, unser Werk zum Erliegen zu bringen. Wir sind der Ansicht, sich diesen Terror nicht länger bieten zu lassen.“ Damit wurde die Gewaltanwendung am Donnerstagmorgen vorbereitet.
Eine besondere Masche der Ford-Direktion bestand darin, dass sie 13 Busse erfand, mit denen Maoisten aus der ganzen Bundesrepublik nach Köln gekommen sein sollten, um dort „den Streik zu schüren“. Das Kölner Polizeipräsidium erklärte auf Anfrage, dass die Polizei weder diese 13 Busse noch die Insassen in Köln festgestellt habe. Aber auf diesen plumpen Trick der Ford-Direktion fiel fast die gesamte Presse der Bundesrepublik herein und – auch die IG Metall. Natürlich gab es während dieses Streiks Einfluss „linker“, sektiererischer Gruppierungen. Allerdings kaum von außen, sondern von innen. Diese sektiererischen, gewerkschaftsfeindlichen und im Prinzip antikommunistischen Gruppierungen konnten nur Einfluss gewinnen, weil der Vertrauenskörper nicht die Führung dieses Streiks übernahm. (…) Ein Streik, der innerhalb weniger Stunden das gesamte Ford-Werk erfasst, kann nicht „von außen organisiert“ sein. Bei Ford hatte sich genügend Zündstoff angereichert. (…)