Es ist ein lang gehegter Glaube, der Verbraucher könne allein mit der Entscheidung, dieses oder jenes Produkt zu kaufen, die Welt ein Stück weit zum Guten verändern. Dieser nachhaltige Konsum steht inzwischen hoch oben in der nationalen und internationalen politischen Diskussion. Die Bundesregierung erarbeitet unter der Federführung von Umwelt- und Justizministerium ein „Nationales Programm für nachhaltigen Konsum“, das vermutlich im Frühjahr dieses Jahres vorgestellt wird. Wem letztendlich die Hauptverantwortung übertragen wird, ist derzeit noch Gegenstand der Diskussion.
nur Angelegenheit der Verbraucher.
Der „Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände“ (vzbv) hat vor einer Woche ein Positionspapier vorgelegt, wie der nachhaltige Konsum von Lebensmitteln gefördert werden könnte. Der Lebensmittelsektor sei besonders relevant, weil Produktion und Konsum von Lebensmitteln mit rund 15 Prozent der „konsumbezogenen CO2-Emissionen“ einen vergleichsweise großen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Ressourcen wie Land, Wasser, Energie und Arbeit werden für Produktion, Verarbeitung und Transport von Lebensmitteln eingesetzt. Über die Produktionsbedingungen, Höhe der Löhne und Preise für agrarische Rohstoffe und Leistungen auf den verschiedenen Ebenen der Wertschöpfungskette entfalten sie auch eine soziale und ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit.
In dem Positionspapier kritisiert der vzbv die Haltung der Bundesregierung, denn diese will den Verbrauchern einseitig die Hauptverantwortung für die Folgen des Konsums zuschreiben. Diese trügen nämlich „die Verantwortung für die Auswahl des Produkts und dessen sozial und ökologisch verträgliche Nutzung“. Tatsächlich hat in diesem Bereich die Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert für die Verbraucher. Der vzbv hat in einer aktuellen Emnid-Umfrage festgestellt, dass zwei Drittel der Befragten auf die Nachhaltigkeit ihrer Produkte achten. Für 58 Prozent ist die artgerechte Tierhaltung ein Qualitätsmerkmal von Lebensmitteln. 32 Prozent kaufen am liebsten aus der Region und 23 Prozent setzen auf fair gehandelte Produkte. In der Praxis scheiterten sie aber häufig an mangelnden Informationen (63 Prozent), an zu hohen Preisen (55 Prozent), oder es sind schlicht und einfach keine nachhaltigen Lebensmittel verfügbar (44 Prozent).
Deshalb sei die Zuschreibung, wie sie von der Bundesregierung vorgenommen wird, einseitig und nicht realistisch: Unter den gegebenen Voraussetzungen sei die Möglichkeit der Verbraucher stark begrenzt, den Markt allein durch ihre Nachfrage nachhaltig zu gestalten. Die Bundesregierung müsse erst „die Voraussetzungen für ein nachhaltigeres Angebot, mehr Transparenz und Informationen schaffen“.
„Verbraucherinnen und Verbraucher können mit ihren Entscheidungen am Supermarktregal nicht die alleinige Verantwortung für mehr nachhaltigen Konsum tragen“, sagte Klaus Müller, Vorstand des vzbv. „Sollen mehr nachhaltig produzierte Lebensmittel gekauft werden, müssen die Rahmenbedingungen stimmen: Angebot, Preis und Informationen müssen verbraucherfreundlich sein.“
„Wir erwarten von der Politik ein konkretes Maßnahmenpaket, das klare Verantwortlichkeiten benennt für die Stärkung des nachhaltigen Konsums“, sagte Müller. Dazu gehöre in erster Linie, dass Produktionsweisen offengelegt würden. Lebensmittel werden heute in hohem Maße globalisiert produziert, heißt es in dem Positionspapier, und umfasst eine Vielzahl von arbeitsteiligen Schritten – vom bäuerlichen Produzenten bis zum Einzelhandel. Doch Informationen darüber, wie produziert wird, gibt es meist nur auf freiwilliger Basis von den Unternehmen.
Dabei sei es unerlässlich, dass auf die bereitgestellten Informationen auch Verlass ist, damit Verbraucher eine „informierte Kaufentscheidung“ treffen könnten. Doch bislang fehle eine einheitliche Definition davon, „welche Produkte, Inhaltsstoffe und Herstellungsweisen bezüglich der sozialen, ökologischen und ökonomischen Dimension als nachhaltig zu qualifizieren sind“. Zudem sei es schwierig, den Überblick über vorhandene Label zu behalten, die eine oder mehrere Produkteigenschaften kennzeichnen. Allein auf dem Lebensmittelmarkt gibt es demnach „160 Öko- und/oder Soziallabel“. Hinter manchen „Auslobungen“ würde „schlicht beschönigendes und rein werblich“ motiviertes „Green Washing“ stehen. Letztendlich ist es nicht verwunderlich, dass die meisten Menschen nicht wissen, was die Label bedeuten: Die Fachhochschule Münster hatte in einer Umfrage unter 1 900 Menschen festgestellt, dass rund 80 Prozent zwar meinten, Produktkennzeichnungen seien hilfreich, aber nicht sagen könnten, was diese Qualitätssiegel bedeuten. Um diesen Missstand zu beseitigen, empfiehlt der vzbv ein neues, staatliches Siegel, das glaubwürdig ist