Eine Schicksalswahl sollte es sein – darin waren sich alle einig: Sozialdemokraten, die mit großen Worten ein weiteres Abrutschen ihrer Partei verhindern wollten. Grüne, die so viel von Klima und offener Gesellschaft sprachen, dass ihnen für die alltäglichen Probleme der arbeitenden Menschen die Luft fehlte. Konservative, die sich gegenüber ihrer rechten Konkurrenz als ordentliche „Europäer“ präsentieren wollten. Sogar Gewerkschafter und Antifaschisten, die glaubten, man könne den nationalistischen Reaktionären etwas entgegensetzen, wenn man „Europa“ – gemeint war die EU – zu einer guten Sache erklärt. Der Wahlkampf war davon geprägt, dass die etablierten Parteien die EU als Friedensprojekt darstellten.
Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) hat sich im Wahlkampf dieser Propaganda entgegengestellt, die die „europäische Integration“ als Schicksal präsentiert und nur die Wahl zwischen zwei bürgerlichen Richtungen für möglich hält. Gegen die Legende vom Friedensprojekt EU stellte sie fest: „EU heißt Krieg“. Sie hat damit im Vergleich zur letzten EU-Wahl 2014 Stimmen verloren. 20 419 Menschen wählten DKP, 2014 waren es 25 147 gewesen, damit erhielt sie fast ein Fünftel weniger Stimmen. Bei der Bundestagswahl 2017 hatten 11 558 Menschen die DKP gewählt, allerdings schneiden kleinere Parteien bei der EU-Wahl im Allgemeinen besser ab als bei nationalen Wahlen, außerdem hatte die DKP bei der Bundestagswahl nicht in allen Bundesländern Listen aufgestellt und konnte daher nicht überall gewählt werden.
Auch die Linkspartei verlor über 100000 Stimmen, wegen der hohen Wahlbeteiligung büßte sie damit 1,9 Prozentpunkte ein. Bei der Bürgerschaftswahl in Bremen gewann sie jedoch dazu – dort war im Wahlkampf eine rot-rot-grüne Koalition als mögliche neue Regierung erschienen.
In dieser Zeitung schätzt der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele ein: „Wir stellten uns fast allein der Lüge, dass die EU Europa 70 Jahre Frieden gebracht hätte, entgegen.“ Gegen die einheitliche Mainstream-Propaganda habe die DKP ihre Inhalte nicht ausreichend vermitteln und sich nicht als wirksame Kraft präsentieren können. Das Wahlergebnis habe „die Schwächen unserer Verankerung drastisch aufgezeigt“. Allerdings hält Köbele daran fest, dass die „grundsätzliche EU-Kritik“ im Wahlkampf richtig gewesen sei.
Die von der Zeitschrift „Titanic“ initiierte Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative – „Die Partei“ – erhielt 2,4 Prozent der Stimmen und damit ein zweites Abgeordnetenmandat. Sie machte einen Wahlkampf, der sie auch für linke EU-Kritiker attraktiv machte: Zum einen benannte sie tatsächliche Widersprüche der EU. Zum anderen konnte es für Wähler, die die EU für undemokratisch halten und den fehlenden Einfluss des EU-Parlaments kritisieren, attraktiv erscheinen, einen Satiriker in dieses Parlament zu wählen. Aus Sicht der DKP liegt der Fehler einer solchen Entscheidung darin, dass „Die Partei“ nicht einmal die Frage aufwirft, ob es möglich ist, Veränderungen zu erkämpfen.