Post will Zustelltag streichen

Mehr Porto,weniger Qualität

Tim Laumann

„First Choice“ heißt eines der Managementprojekte der Deutschen Post. Es geht dabei um eine positive Außendarstellung, vor allem für Geschäftskunden, um den Anschein von guter Qualität und darum, den Beschäftigten ein positives Image zu verkaufen.

Im Betrieb sind die meisten Standort- und Teamleiter der Deutschen Post klug genug, den Arbeitern mit diesem Schwachsinn nicht zu nahe zu kommen. Schließlich könnten die älteren Kollegen damit kontern, dass sie Qualität „erster Wahl“ wirklich einfordern. Sie kennen die nötigen Mittel und Wege, die dafür gebraucht werden: Mehr Personal und eine entsprechende Ausbildung. Und die Jüngeren? Sie würden sich mindestens über die beim Quatschen verstrichene Arbeitszeit freuen.

Aber ein wenig Propaganda muss sein und so flackert der Werbespruch auch im Betrieb über einen Monitor. Auf Deutsch soll er bedeuten, dass man „Anbieter“ und „Arbeitgeber“ erster Wahl sein wolle. „Anbieter“ bezieht sich auf die Geschäftskunden. Die normalen Verbraucher werden in immer größere Bezirke gesteckt, bekommen die Post immer seltener taggleich und immer häufiger von Leuten, die kaum oder nicht ausgebildet wurden. Ein Kollege, der die Neuen einweist, erklärt in der Zigarettenpause fast resigniert: Unter solchen Bedingungen sei es doch eher Zufall, wenn einer einen Brief einmal richtig einwerfe.

Anfang Mai hatte die Propagandaabteilung Arbeit und wurde kreativ. Die Beschwerden bei der Bundesnetzagentur waren ein wenig zurückgegangen – in diesen Zeitraum fielen die Warnstreiks im Rahmen der Tarifrunde bei der Deutschen Post. Da Beschwerden aufgrund von Streiks von der Bundesnetzagentur nicht erfasst werden, weil Streiks ihr als „höhere Gewalt“ gelten, rechnete man die Beschwerdestatistik schön. Mit diesen neuen Zahlen ging die Deutsche Post dann Mitte Mai wiederum zur Bundesnetzagentur, um zu fordern, dass man doch bitte die frühzeitige und schnellere Erhöhung der Portokosten für die einfachen Menschen genehmigen solle.

Spannend ist dabei, was wir nicht mitbekommen. Die Post macht mit den großen Einlieferern von Post und Paketen Einzelverträge, die wegen der Privatisierung nicht unter die Universaldienstleistung fallen. Von diesen Privatverträgen bekommt zunächst niemand etwas mit. Würde die Deutsche Post mehr Geld brauchen, dann könnte sie sich dieses durchaus bei den großen Firmen holen. Doch vor allem für den internen Wettbewerb sind die Zahlen interessant. Die „Divisionen“, in denen die Deutsche Post-DHL-Group organisiert ist, werden miteinander verglichen. Da wird – vorrangig vor und während Tarifrunden – laut vorgerechnet, wenn woanders mehr Geld verdient wird. Zum Zweiten geht es hier um den Profit eines Privatkonzerns. Und dieser Profit geht an Aktionäre und Vorständler, nicht an die Beschäftigten.

Nun bereitet man die Novelle des Postgesetzes vor. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hatte dazu im Januar Eckpunkte formuliert, erste Vorschläge gingen ein. Aktuell wird die Streichung eines Zustelltages diskutiert. Dazu ein kurzer Rückblick: Früher einmal arbeitete ein Sortierzentrum auch an Sonn- und Feiertagen, so dass am jeweils nächsten Tag Post zugestellt werden konnte. Dann strich man die Sonn- und Feiertagsarbeit. Und so bleibt ein Arbeitstag, an dem weit weniger Post vorliegt als an den anderen Tagen – derzeit ist es der Montag. An diesem fahren die Kollegen an vielen Stellen zwei Zustellbezirke und sind bis 12.30 Uhr damit durch. Für sie ist das ein vergleichsweise entspannter Tag – und genau an diesem will die Post nun nicht mehr zustellen.

Die Folge wäre, dass die Verbindlichkeit der Zustellung sich weiter verschlechtert. Denn die Montage sind wichtig, um Abbrüche aufzuräumen und Rückstände aufzuarbeiten. Außerdem würde eine solche Maßnahme tausende Jobs gefährden – kurz vor dem Auslaufen der Vereinbarung zum Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen. ver.di hat deshalb in einer Stellungnahme gegen diese Pläne protestiert. Leider blieb es bisher dabei. Die Gewerkschaft verweist auf das Postgesetz, doch sieht dieses leider vor, dass es hier der Bundesregierung obliegt, den Rahmen der von der Post erbrachten Dienstleistung zu bestimmen. Hierin liegt also nicht die Lösung, sondern es ist das Vehikel, mit dem die Kapitalinteressen durchgesetzt werden. Für die Sicherung der Arbeitsplätze bei der Post und die Sicherung der Zustellqualität brauchen wir betrieblichen und öffentlichen Druck auf die Deutsche Post und die Regierung, auf Kapital und Kabinett.

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"Mehr Porto,weniger Qualität", UZ vom 23. Juni 2023



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